„Wir brauchen wieder mehr Mut zu Entscheidungen!“

Gerhard Oswald

GERHARD OSWALD IM GESPRÄCH MIT GERALD HESCHL

Über die Wichtigkeit von gesellschaftlichem Engagement, den Mut, zukunftsweisende Wege einzuschlagen, und den Stellenwert der Kirche in schwierigen Zeiten wie diesen. Gerhard Oswald, ein Unternehmer mit vielen Facetten.

Sie haben einen sehr vielfältigen Lebenslauf: Sie sind Unternehmer, engagiert in Verbänden und Institutionen und außerdem Komtur des Deutschen Ordens, also ein kirchliches Amt. Heute klagen viele Verbände, dass sie niemanden mehr finden, der mitmacht. Wie wichtig ist gesellschaftliches Engagement?

OSWALD: Das Engagement für unsere Gesellschaft ist für mich unerlässlich. Es geht darum, für die Gesellschaft einzustehen und gleichzeitig sein eigenes Leben zu gestalten. Denn alles, was man tut, hilft anderen, aber gleichzeitig stärkt es das eigene Umfeld.

Als Unternehmer im Lavanttal kann ich sagen: Wenn es der Region gut geht, wenn sich viele im eigenen Lebensbereich, in Gesellschaft und Kirche engagieren, geht es auch den Menschen in dieser Gegend gut – und damit natürlich auch den Unternehmen. Gerade gesellschaftliches Engagement – ganz besonders ehrenamtliches – braucht große Gestaltungsfreiräume. Es soll auch ein Experimentierfeld dafür sein, Verantwortung zu übernehmen. Davon können wir heute gar nicht genug haben.

Sie sind unternehmerisch im Energiesektor aktiv – einem Bereich, der ganz wesentlich für den Klimawandel bzw. Klimaschutz verantwortlich ist. Gerade in Österreich wird teils heftig über den richtigen Weg in die Zukunft debattiert. Wo geht die Reise Ihrer Meinung nach hin? Werden wir in zehn Jahren noch mit Diesel- und Benzinautos unterwegs sein?

OSWALD: Es ist unumstritten, dass wir aus den fossilen Energieträgern herausmüssen. Es gibt nachhaltige Energiesysteme, ob Photovoltaik, Wind oder Wasser. Natürlich sind solche Anlagen auch Eingriffe in die Natur. Im urbanen Bereich spielt dies kaum eine Rolle.

Strittig ist es am Land, wo wir intelligente Lösungen brauchen. Natürlich wird man das Windrad sehen, aber es führt kein Weg daran vorbei.

Was mir in der Diskussion fehlt, ist das Thema des Energiesparens, denn was ich nicht verbrauche, muss nicht produziert werden.

Heftig umstritten ist die richtige Technologie. Gibt es hier Fortschritte?

OSWALD: Das große Thema heute ist noch die Stromspeicherung. Es fehlt eine vernünftige Lösung, wie man die Energie, die man aus Sonne, Wind oder Wasser erzielt, sinnvoll speichert.

Ich glaube aber schon, dass sich die Technologie weiterentwickeln wird. Aber wir haben keine Alternative zu nachhaltiger Energie: Die Temperaturen steigen, die Unwetter nehmen rasant zu. Hier haben wir auch eine Verantwortung nicht nur der Schöpfung, sondern vor allem den nachkommenden Generationen gegenüber.

Mit Laudato Si hat Papst Franziskus eine viel beachtete Enzyklika zur Schöpfungsverantwortung geschrieben. Welchen Stellenwert hat für Sie die Kirche als Stimme in unserer Gesellschaft?

OSWALD: Die Kirche ist für mich eine ganz wichtige Stimme, und sie hat eine sehr große Verantwortung. Es ist eine grundlegende Aufgabe der Kirche, Menschen zu begleiten und ihnen Mut zu geben. In der Öffentlichkeit und als Stimme in der Gesellschaft schafft sie sozusagen Rahmenbedingungen, die immerwährend sind. Damit meine ich den Wertekanon, den wir aus den Evangelien überliefert bekommen haben und der seit nunmehr zwei Jahrtausenden unsere Kultur prägt.

Für manche ist die Kirche nicht mehr so zeitgemäß. Wie sehen Sie das? Als Komtur des Deutschen Ordens stehen Sie in einer besonderen Tradition.

OSWALD: Die Kirche ist für mich dann zeitgemäß, wenn es ihr gelingt, Menschen durch Höhen und Tiefen zu begleiten. Damit dies aber gelingt, sollte ihr schon die Verknüpfung zur Gesellschaft von heute gelingen. Es ist gut, wenn es eine Tradition etwa durch die Feste im Kirchenjahr gibt, die Halt bieten. Aber insgesamt sehe ich in der Struktur einen Änderungsbedarf. Wenn sie noch eine Relevanz haben möchte, muss auch die Kirche die Gesellschaft abbilden. Die gleichberechtigte Einbindung von Frauen und Männern, Jungen und Alten, Menschen mit Behinderung usw. muss gelingen. Diese Diversität ist notwendig, um glaubwürdig zu sein. Das gilt für die Kirche, aber auch für andere Institutionen wie Raiffeisen, wo ich mich sehr dafür einsetze.

Viele Diözesen befinden sich derzeit in einem Entwicklungsprozess. Manche setzen dabei auch auf Unternehmensberater. Kann die Kirche von Unternehmen lernen?

OSWALD: Ja und nein … jedenfalls ist ein großer Unterschied, dass sich Unternehmen auf einem eingegrenzten Markt bewegen, mit klaren Zielgruppen. Die Kirche und ihre Botschaft sind aber für alle Menschen da. Das ist heute sicher nicht einfacher. Was man aber schon vergleichen kann, wären sozusagen die „Kundenbedürfnisse“. Die Menschen wollen einen verlässlichen Partner, der nicht nur das Geschäft versteht, sondern auch darüber hinaus für einen da ist. Vergleichbar ist auch die Schnelllebigkeit unserer Zeit. Die Menschen kommen verstärkt unter Druck, was sie alles optimieren, wählen, kaufen sollten. Ich denke, da kann die Kirche auch ein Gegenbeispiel sein. Die Kirche kann hier Lebensberater sein, der auch auf das Höhere verweist. Wir sind immer bestrebt, alles im Griff zu haben und alles zu organisieren. Die Kirche kann entschleunigend wirken, denn wir haben längst nicht alles im Griff. Es gibt auch noch Gott.

Die Botschaft des „Fürchtet euch nicht!“ in einer unsicheren Zeit – kann das ein Rezept der Kirche für unsere Welt sein?

OSWALD: Ja, unbedingt! Man sieht schon, dass die Angst zunimmt. Etwa in Führungsetagen fürchtet man sich massiv, etwas falsch zu machen und entscheidet lieber gar nicht. Wir brauchen aber Mut zum Leben. Dazu gehören auch Entscheidungen. Diesen Mut zu und die Freude an Entscheidungen vermisse ich aber heute sehr stark. Das gilt für viele Unternehmen, das sehe ich aber leider auch in der Kirche. Da braucht es wieder Persönlichkeiten, die bereit sind, Entscheidungen zu treffen und

Verantwortung zu übernehmen. Das klingt einfach, ist es aber nicht. Haben Sie Werkzeuge dafür?

OSWALD: Da sind wir wieder beim Engagement. Was mich bereichert, sind die unterschiedlichen Blickwinkel: ob bei Raiffeisen, in der Wirtschaftskammer oder im Deutschen Orden. Man begegnet so vielen interessanten Menschen. Diese Bereicherung beeinflusst das Leben in dem Sinne, dass man neuen Mut für Entscheidungen, für Weichenstellungen findet.

Viel Kraft schöpfe ich auch aus der Natur. Vor allem beim Weitwandern stoße ich einerseits immer wieder an Grenzen, kann meinen Horizont dabei aber auch erweitern. Es ist ein meditatives Gehen, gleichsam ein langes Beten. Meiner Meinung gelingt es leichter, aus einer kontemplativen Haltung heraus Mut zu schöpfen und dann wieder Verantwortung zu übernehmen.

ZUR PERSON
Gerhard Oswald, geb. in Wolfsberg, lebt mit seiner Familie in St. Andrä im Lavanttal. Ausbildung: Einige Stationen der Ausbildung wie Gymnasium in Tanzenberg, HTL in Pinkafeld, Doktorat an der TU-Graz - Verfahrenstechnik, Masterstudium NES an der FH Pinkafeld und Zivilingenieurprüfung für Nachhaltige Energiesysteme. Unternehmer im Bereich Gebäudetechnik, LED-Technologien, Nachhaltiger Energiesysteme und Energieauditor.

Funktionen: Kärntner Landesinnungsmeister der Sanitär- Hei-zungs- und Lüftungstechniker und Obmann des Dachverbandes Energie Klima der WKO.

Engagement für die Region als WK-Obmann in Wolfsberg AR vors. der Raiffeisenlandesbank Kärnten und der Raiffeisenbank Mittleres Lavanttal Komtur des Deutschen Ordens „Komturei an der Drau“

Autor:

Sonntag Redaktion aus Kärnten | Sonntag

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ