Cornelius Kolig im Gespräch mit Christine Weeber
Das „Paradies“ verstärkt das Erleben alles Sinnlichen und Menschlichen“
Der bekannte Künstler Cornelius Kolig verstarb am 7. November 2022 im 81. Lebensjahr In seinem allerletzten Interview erzählte er im Gespräch mit dem „Sonntag“ über sein Lebenswerk, das „Paradies“ in Vorderberg im Gailtal, seinen Sinn für Glück und die Schaffenskraft großer Meister in der Kunst.
von Christine Weeber
Herr Kolig, Sie wurden im Spätsommer dieses Jahres achtzig Jahre alt. Wie fühlen Sie sich in Ihrem Lebenswerk, dem „Paradies“ in Vorderberg, heute?Was wünschen Sie sich für Ihre Zukunft?
KOLIG: Ich fühle mich hier nach wie vor wohl. Ich habe die längste Zeit meines Lebens allerdings nicht in Vorderberg verbracht. Ja, die Jugend, aber später war ich in Wien und Deutschland. In Villach hatte ich bis zum Jahr 1999 ein großes Atelier. Seit 22 Jahren bin ich wieder ständig hier in meinem Geburtsort Vorderberg.
Es ist natürlich ein großer Vorteil, wenn ich an Ort und Stelle am sogenannten Lebenswerk leben und arbeiten kann. Es ist wesentlich intensiver, als wenn Arbeit und Gesamtkunstwerk – wie das „Paradies“ – nicht voneinander getrennt sind. Was wünscht man sich mit achtzig? Dass man einigermaßen gesund bleibt, das ist mir das Wichtigste. Ohne Gesundheit ist vieles nichts. Ich würde mir wünschen, dass mir Zeit bleibt, um noch gewisse Projekte, die ich vorhabe, auszuführen.
Sie gelten als anerkannter österreichischer Künstler der Gegenwart. Woher kommt diese, Ihre große Schaffenskraft?
KOLIG: Ich glaube, dass dieser Umstand genetisch bedingt ist. Die Grundlage dafür ist das künstlerisch dominierte Erbgut, welches ich mitbekommen habe: von meinem Urgroßvater – er war Kirchenmaler –, von meinem Großvater, dem Expressionisten und Mitglied des Nötscher Kreises, Anton Kolig, meinem Vater, ebenfalls Maler und meinem Großonkel Franz Wiegele. Die Kraft selbst hängt natürlich mit der Gesundheit zusammen. Mit der Kraft, die mir zur Verfügung stand, musste ich allerdings haushalten, um all jenes, was ich gemacht habe, realisieren zu können.
Was haben Sie etwa heute vollbracht?
KOLIG: Das Erste am Tag ist immer das Katzenfüttern. – Derzeit von sechzehn Katzen, zum Teil alles zugelaufene Tiere, zum Teil Rassekatzen, von denen ich annehme, dass sie mir wegen Haltungsproblemen untergeschoben wurden …
„Das Paradies Koligs gilt als positiv abstrahiertes Abbild der Arbeitswelt des Künstlers“, heißt es in Ihrem Buch „Flush“ (Ritter Verlag, 1990). Was waren Ihre grundlegenden Ideen für die Entstehung dieses Lebenswerkes, dem ursprünglichen „Hram“, dem Gailtaler Ausdruck für „Speicher“?
KOLIG: Jeder Künstler, jede Künstlerin überlegt sich auch, wie für die Arbeit, die man herstellt, die Zukunft aussieht. Im Kunstbetrieb ist es normalerweise so, dass die Künstler ihre Arbeit verkaufen und davon ihren Lebensunterhalt bestreiten. Viele dieser Werke landen im besten Fall in bedeutenden Museen, lagern dort aber oft in den Depots oder verschwinden in privaten Sammlungen und sind damit für die Öffentlichkeit zumeist nicht mehr zugänglich.
Für Ausstellungen werden sie hervorgeholt und verschwinden dann wieder.Was bedeutet Ihnen genau dieses „Paradies“?
KOLIG: Wie ich angedeutet habe, wollte ich dieses Schicksal meinen Arbeiten ersparen. Ich habe darauf geachtet, dass ich meine wichtigsten Werke selbst sammle und ihnen hier im „Paradies“ ein Zuhause schaffe. Dieses Gesamtkunstwerk, das „Paradies“, ist gleichzeitig mein Lebenswerk.
Ich habe bald gemerkt, dass das „Paradies“ mehr ist als nur ein Schaulager. Ein Ort, an dem man ständig anwesend ist, bekommt dadurch auch eine andere Qualität. Das „Paradies“ hat nicht nur die Funktion der Lagerung, sondern jene der Benützung, der Vermittlung, einer Werkstatt für Kunst, aber auch die eines Friedhofes.
Das „Paradies“ fungiert als Verstärker für die ganz alltäglichen Verrichtungen. Es intensiviert das Erleben alles Sinnlichen und Menschlichen. Letztlich erzeugt es ein stärkeres Gesamtbild als es einzelne Werke etwa in Museen oder Galerien zu tun vermögen.
Was bedeutet Ihnen diese künstlerische Welt?
KOLIG: Viel, wenn auch nicht alles. Sie ist jedenfalls mein Lebensmittelpunkt und mein Lebenskunstwerk. Dies ist wesentlich mehr als der Kunstbetrieb oder andere Formen der Kunstvermittlung und der Präsenz von Kunst in der Öffentlichkeit.
Ihr Großvater war Anton Kolig, Mitglied des Nötscher Kreises. Gibt es hier Assoziationen zu Ihrer persönlichen Kunst?
KOLIG: Ich bin natürlich nicht nur mit den Arbeiten des Großvaters, sondern auch mit jenen meines Vaters und meines Großonkels, Franz Wiegeles, sozusagen aufgewachsen. Es waren in erster Linie diese Künstler, an welche ich mich mit dreizehn, vierzehn Jahren orientiert habe. Jugendwerke von mir tauchen immer wieder auf, die mit späten, den stark farbigen Arbeiten des Großvaters verwechselt werden. In den Folgejahren habe ich mich von diesen Einflüssen befreit und habe begonnen, eigenschöpferisch zu arbeiten. Die ersten Röntgenplastiken entstanden.
Anton Kolig verstarb 1950, als Sie acht Jahre alt waren. Können Sie sich vielleicht peripher an ihn, den berühmten Großvater, erinnern?
KOLIG: Ich kann mich sowohl an den Großvater Anton Kolig als auch an Franz Wiegele erinnern. Ich war erst zwei Jahre alt, als Wiegele am Ende des Krieges durch einen Bombenangriff in Nötsch gestorben ist. Trotzdem habe ich bestimmte Bilder von ihm im Kopf, von denen ich jedoch nicht weiß, ob diese erlebt oder eingebildete Illustrationen von Erzähltem sind.
Was sind und waren in der Retrospektive Ihre künstlerischen Vorbilder, an die Sie sich beruflich anlehnen?
KOLIG: Wer meine Vorbilder waren? Ich würde sagen, das waren nicht einzelne Künstler, sondern bestimmte Werke. Künstler schaffen ja nicht durchgehend hervorragende Arbeiten. Sie hinterlassen ein paar ausgezeichnete Arbeiten. An diesen orientiert man sich. Wie etwa an den monumentalen Fresken Michelangelos in der Sixtinischen Kapelle. Oder an der Farbigkeit eines Tizian, eines Monet oder Kokoschka, an den Kompositionen eines Rubens. Oft war es wieder nur die Pinselführung großer Meister, die mich interessiert hat.
Wie war Ihre Kindheit? Die Anfänge Ihrer Kunst?
KOLIG: Wenn jemand ohne eine Anstrengung zu zeichnen und zu malen beginnt, dann ist man so etwas wie ein Naturtalent. Aber in meinem Fall war es wohl eher so, dass ich Vorfahren hatte, die künstlerisch tätig waren und dass mein Interesse für die Kunst ganz offensichtlich genetisch vererbt war. Die Werke der bereits früher namentlich genannten Künstler hingen hier in meinem Elternhaus. Mit ihnen bin ich großgeworden. Es gibt in der Kindheit Erfahrungen, die einen prägen und später bewusst oder unbewusst mit beeinflusst haben.
Mit welchen künstlerischen Materialien arbeiten Sie am liebsten?
KOLIG: Das kann ich so eigentlich gar nicht sagen. Bei jedem meiner Werke muss ich überlegen, mit welchen Materialien ich eine Idee am besten verwirklichen kann. Das erfordert immer wieder die Wahl der dafür geeigneten Mittel. Daher unterscheiden sich alle meine Arbeiten oft ganz wesentlich von einander.
Was bedeutet Ihnen heute Glück?
KOLIG: Was mir Glück bedeutet? Einfach Zufriedenheit mit mir und meiner Familie, mit der Umgebung und der Arbeit, die man leistet und natürlich die Gesundheit. Sie ist die wesentliche Voraussetzung.
Was soll Ihnen einmal nachgesagt werden?
KOLIG (denkt lange nach): Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Das kann ich im Moment nicht benennen.
Cornelius Kolig, geboren 1942 in Vorderberg an der Gail ist Maler, Objekt- und Konzeptkünstler. Von 1960 bis 1965 absolvierte Kolig das Studium an der Akademie für bildende Künste in Wien bei Josef Dobrowsky, Herbert Boeckl und Max Weiler. Es folgten frühe Ausstellungen von Röntgenplastiken, Tast- und Temperaturplastiken sowie Lichtobjekten. Im Jahr 1979 erfolgte der Baubeginn am PARADIES in Vorderberg, einem als Lebens- und Gesamtkunstwerk gedachten Projektes. Es handelt sich dabei um einen Garten- und Gebäudekomplex zur Benützung der darin versammelten, zwischen 1962 und heute entstandenen Arbeiten des Künstlers. Die Werke von Cornelius Kolig waren bei Internationalen Einzel- und Gruppenausstellungen zu sehen.
Autor:Sonntag Redaktion aus Kärnten | Sonntag |
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