5. Februar: Agathentag
Hildegard von Stein – große Mutter Südkärntens
Zu den wohl ältesten Volksbräuchen gehört das Striezelwerfen in Stein im Jauntal. Dieser einzigartige Brauch am ersten Sonntag im Februar geht auf die Adelige Hildegard von Stein zurück, die dort als karitative Wohltäterin wirkte und deshalb von der Bevölkerung durch Jahrhunderte bis in die Gegenwart verehrt wurde. von Josef Till
Eine der bedeutendsten Frauenpersönlichkeiten Kärntens ist Hildegard von Stein bzw. „Liharda“. Sie wurde zwischen 910 und 915 in Bayern geboren und entstammte dem Geschlecht der bayerischen Aribonen. Hildegard war mit Albuin oder auch Paul, dem Markgrafen von Kärnten, verheiratet, der die Burg Prosnitza am Skarbin am nördlichen Drauufer besaß. Der Kaiser stattete Hildegard und Albuin mit Schenkungsurkunden aus, die fünf slawische Huben umfassten.
Wie eine Heilige verehrt
Hildegard war eine gläubige und äußerst sozial engagierte Frau. Sie ließ unter der Laurentiuskirche von Stein ein Hospiz für die Versorgung von Armen, Bedürftigen, Kranken und Bettlern errichten und veranlasste, dass die jährlichen Erträge aus 13 Bauernhuben dem Pfarrer von Stein für die Armenstiftung mit Armen- und Festmahl am Agathentag (5. Februar) zugeführt wurden. Nach ihrem Tod im Jahre 985 wurde sie von der lokalen Bevölkerung als Heilige verehrt, wobei eine Kanonisation seitens der Kirche bis heute ausblieb. Hildegard ruht in der Laurentiuskirche in Stein im Jauntal (Kamen v Podjuni), die schon vor dem Jahr 975 erbaut wurde.
In dieser Kirche gibt es noch Reliquien von Hildegard –ihr Haupt und einen Handschuh. Die anderen menschlichen Überreste wurden unter Erzherzog Ferdinand ins Klarissenkloster nach Graz gebracht, wo sie verloren gingen. Um 975 schenkte Hildegard ihrem Sohn Albuin, der damals Diakon war und erst später Bischof von Säben bzw. Brixen in Südtirol wurde, das Gut Stein im Jauntal mit acht slawischen Huben.
Hildegard-Legende
Über die sozial engagierte Frau im frühen Mittelalter wurde viel geredet, so dass Geschichten bzw. Legenden entstanden. Die älteste Aufzeichnung der Hildegard-Legende geht auf den Pfarrer von Stein, Jakob Raunig zurück, der sie in den Jahren 1753 bis 1764 in Latein niederschrieb und darin zwei Namen Hildegards erwähnte: Agatha und Hildegard. Die Lebensbeschreibungen stimmen darin überein, dass Hildegard mit ihrer Zofe Dorothea von ihrem aufbrausenden und jähzornigen Gatten nach dessen Rückkehr vom Krieg auf Grund einer Intrige seines Bruders Uduin – auch Pero oder Odo –aus dem Burgfenster geworfen, sie aber auf wunderbare Weise gerettet wurde. Albuin soll dann zur Buße die Kirche in Möchling erbaut haben, die den hl. Paulus als Patrozinium erhielt.
Vorschriften für das Armenmahl
Im Mittelalter gab es eine umfassende Ordnung, wie das Armenmahl zum Gedächtnis der Stifterin abgehalten werden musste. Im 15. Jahrhundert war das Hildegardisfest ein Volksfest für die Pfarrangehörigen von Stein, aber auch für alle dorthin gekommenen Menschen. Die Armen standen auch stellvertretend für die armen Seelen; der erste Gottesdienst am Gedächtnistag der Stifterin wurde für die Verstorbenen in der Krypta – eine Armenseelenmesse – begangen. Viele hunderte Menschen, vor allem Bedürftige, kamen zum Hildegardisfest aus Kärnten. Beim Bettlerkreuz am Tainacher Feld sammelten sich die Bettler nördlich der Drau, ehe sie den Weg zur direkten Überfuhr über die Drau einschlugen.
Wegen der Einhaltung der Ordnung und dem Ausschließen von Gewalt galt in Stein während der Festtage der königliche Friede, der jede böse Tat mit vielfacher Strafe bedrohte.
Der Brauch des Striezelwerfens
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts werden kleine Brötchen vom Balkon des ehemaligen Meierhofes in die versammelte Menge geworfen, weil nach dem Bauernbefreiungsgesetz der Hildegardis-Stiftung die notwendigen finanziellen Mittel für ein Volksfest fehlten. Das Striezelwerfen wurde bis 1916 aus dem Stiftungskapital bestritten. Durch die Inflation in Österreich im Gefolge des Ersten Weltkrieges wurde das gesamte Stiftungsvermögen Hildegards im Jahre 1923 vernichtet. Seither backen einige Pfarrangehörige freiwillig an die 400 kg Striezel und stellen sie der Kirche zur Verfügung. Die gesegneten Brötchen oder Striezel werden nach Hause mitgenommen und in Kästen aufbewahrt. Sie sollen vor Erkrankungen schützen und das Haus vor Blitzschlag und Feuer, Krankheit und Unglück bewahren. Geachtet muss darauf werden, dass die Striezel nicht schimmeln. Der Schimmel sei nämlich ein Zeichen für das baldige Sterben eines Hausbewohners bzw. eines Verwandten.
Hildegard – Leitbild für die Gegenwart
Gerade in Zeiten, in denen es zur Nivellierung des alten Brauchtums und zur Negierung der religiösen Wurzel kommen kann, gilt es den Brauch des Striezelwerfens zu schützen, welcher der dörflichen Gemeinschaft und der Identität dient sowie das persönliche Miteinander fördert.
Hildegard von Stein half in ihrer Lebenszeit und mit ihren Möglichkeiten armen Menschen; damals gab es keinen Sozialstaat wie heute, leider besitzt auch unser soziales Netz Lücken. Armut lässt erkranken, deshalb sollte sie, wo immer auf unserem Globus, hintangehalten werden.
Unter dem Begriff Brauchtum werden gegenwärtig kulturelle Verhaltensformen für wiederkehrende und regelmäßige Situationen verstanden, denen ein sozialer Verpflichtungscharakter zugrunde liegt. Als auslösender Moment des Brauchs gilt der konkrete Anlass.
In Stein im Jauntal (Kamen v Podjuni) hat der Brauch des Striezelwerfens religiöse Wurzeln. Er ist und bleibt ein wesentlicher Teil des gläubigen Lebens und macht den Glauben leibhafter und sinnfälliger. Im Brauch sind Verstand und Gefühl gleichwertig und er hebt die Grenze zwischen „Weltlichem“ und „Heiligem“ auf. Der Brauch hat eine Brückenfunktion, er lässt das Jenseitige erfahren und das Leben sinnvoll gestalten.
Autor:Carina Müller aus Kärnten | Sonntag |
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