Diskussion bei den Toleranzgesprächen Fresach
Exodus aus der Kirche - was tun?
Steigende Kirchenaustritte und sinkender Messbesuch – gibt es einen Auszug aus den Kirchen? Diese Frage stellte der Journalist Claus Reitan einer hochkarätigen Diskussionsrunde bei den Europäischen Toleranzgesprächen in Fresach. Eine Frage, die von der Pastoraltheologin Regina Polak aber sofort selbst infrage gestellt wurde. „Die Anzahl der Katholiken in Österreich ist noch immer überdurchschnittlich hoch. Eine Volkskirche früherer Zeiten wird es schon aufgrund der Bevölkerungsentwicklung, des Zuzugs und der Pluralität nicht mehr geben“, stellte sie einleitend klar. Schönfärben sei jedoch nicht angesagt, so Polak. Die Missbrauchsfälle, der Umgang der Kirche mit Frauen, Doppelmoral und die Sexualethik hätten viele Menschen – auch Gläubige – motiviert, der Kirche den Rücken zu kehren.
Heute sei es einfach notwendig, den Menschen zu zeigen, „was sie von der Kirche haben“. Als positives Beispiel nannte Polak die Caritas, die während der Corona-Krise einen massiven Zulauf an Ehrenamtlichen verzeichnete: „Beim Thema Solidarität, aber auch bei spirituellen Themen haben wir Zuläufe“, bemerkte die Wiener Professorin für Pastoraltheologie.
Gegen das allgegenwärtige Jammern wandte sich die evangelische Pfarrerin Lydia Burchhardt. Gerade die Krise habe gezeigt, wie „lebendig und geistvoll“ die Kirchen sein können. Die Corona-Krise habe wie ein Brennglas vieles offengelegt – dazu gehören positive, aber auch negative Entwicklungen.
Dem stimmte Bischof Josef Marketz für die Katholische Kirche Kärntens zu: „Es hat sich vieles gezeigt, das hervorragend funktioniert. Es hat sich aber auch gezeigt, wo wir nachjustieren müssen.“ Die Kirche werde heute wie die meisten anderen Institutionen infrage gestellt. Viele Menschen sehen in ihr ein Dienstleistungs-Unternehmen, so Marketz, das sich ihren Bedürfnissen anzupassen habe – jedoch sei die Kirche nicht „unendlich flexibel“. Die Kirche stehe nun einmal in einer Tradition, die sehr alt ist, „aber gerade deshalb auch viel Schönes zu bieten hat“.
Das Verhalten der Katholischen Kirche in der Corona-Krise sah Marketz bei der Diskussion durchaus selbstkritisch: „Auch für uns kamen diese Ereignisse sehr schnell und überfallsartig. Wir hatten keine raschen Antworten und waren mit der Situation teilweise schon überfordert“, so der Bischof. In der jetzigen „Übergangszeit“ gehe es auch darum, die Erfahrungen der vergangenen Wochen zu nutzen. Als ein Beispiel nannte Marketz die Hauskirche, die vielen Menschen „neue und schöne Erfahrungen“ gebracht habe. Erfeut zeigte sich der Bischof, „dass viele Jugendliche mit ihren Eltern zu Hause gefeiert und damit einen ganz neuen Zugang zum Glauben gefunden haben“.
Der Glaube helfe, so Marketz zusammenfassend, „dass man ein gutes Leben lebt“. Dazu gehöre unverzichtbar, „dass wir an die Liebe glauben“.
Autor:Gerald Heschl aus Kärnten | Sonntag |
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