Sr. Birgit Weiler im Gespräch mit Susanne Huber
„Es sind vor allem Frauen, die Kirche tragen!“

Foto: herder

Im Oktober findet die letzte Etappe des von Papst Franziskus im Jahr 2021 initiierten Reformprojektes Weltsynode statt. Im Beraterteam mit dabei ist auch die deutsche Ordensfrau Sr. Birgit Weiler. Kürzlich war sie auf Vortragsreise in Österreich unterwegs.

Eine Abstimmung über das Frauendiakonat wird es bei der Weltsynode im Oktober nicht geben. Der Vatikan hat das Thema aus der Synode ausgekoppelt. Warum?
Sr. Birgit Weiler: Genauere Informationen darüber habe ich nicht. Gesagt wurde, man habe erkannt, dass bei Themen wie dem Frauendiakonat, die weltkirchlich kritisch gesehen und diskutiert werden, ein qualifizierterer Austausch in der theologischen Betrachtung der unterschiedlichen Positionen nötig ist. Nur so kann eine theologisch gründliche Arbeit ermöglicht werden. Ein Zwischenbericht der zuständigen Studiengruppen wird bei der Synode präsentiert. Ich denke, darüber wird es dann einen wichtigen Austausch und Debatten geben. Betraut wurden damit Expertinnen und Experten, die seit Jahren mit der Thematik befasst sind und gut fundierte Argumente darlegen können, die – so hoffe ich – für die Einführung eines Diakonats der Frau sprechen.

Sie sind also eine Befürworterin des Frauendiakonats...
Weiler: Ich wünsche mir, dass das möglich werden würde. Allerdings teile ich nicht die Auffassung mancher, die meinen, dass Frauen durch die Hintertür des Frauendiakonats dann doch das Priesteramt für die Frau erobern wollen. Die Tür dazu ist ja weiterhin verschlossen. Aber ich denke, dass das Diakonat eine eigene Würde hat. Christus, der als Dienender für die Menschen da war, wird so präsent durch Personen, die diesen Dienst an den Menschen in den Gemeinden heute tun. Ich glaube, es täte unserer Kirche sehr gut, diese Dimension viel stärker ins Bewusstsein zu heben – in einer Kirche zu sein, die Christus nachfolgt, in einer Kirche zu sein, die auf Menschen zugeht, eine Kirche zu sein, die sich berühren lässt, auch von Nöten. Für die Menschen in Amazonien ist das Realität, Tag für Tag. Sie versuchen immer wieder aus dem Glauben heraus Solidarität zu leben im Dienst auch mit den Verwundbarsten. Und es sind vor allem die Frauen, die weltweit Kirche tragen. Ohne sie wäre Kirche an vielen Orten z. B. im Amazonasgebiet nicht mehr präsent.

Sie leben ja seit 34 Jahren in Peru, arbeiten als Theologin in Lima und auch als Missionarin im Amazonasgebiet. Wie funktioniert das kirchliche Leben dort in der Praxis?
Weiler: Im peruanischen Amazonasgebiet, wo ich in Gebieten des Vikariats Jaen in der Pastoral mitwirke, setzen viele Frauen in den verschiedenen Ortsgemeinden diesen Christus präsent durch ihr Leben, durch ihr Engagement in der Kirche, aber auch durch ihren sozialen und ökologischen Einsatz, wo es um Anliegen der Gesundheit geht und um ganz zentrale Fragen wie den Erhalt Amazoniens, der wegen des Klimawandels auf dem Spiel steht.
Kippt Amazonien, kippt das Klima weltweit. Die Gemeinden sind den Frauen für ihre Arbeit dankbar. Deshalb, finde ich, sollte ihr Dienst an den Menschen von der Kirche auch formal anerkannt werden.

Wegen der Größe Amazoniens gibt es dort einen enormen Priestermangel. Laut Kirchenrecht dürfen aber nur Priester oder Bischöfe Sakramente wie die Krankensalbung spenden...
Weiler:
Es ist eine Tatsache, dass viele Gemeinden Amazoniens, wenn überhaupt, oft nur ein- oder zweimal im Jahr von einem Priester besucht werden können. Doch die Not macht kreativ und wir versuchen Pastoral so zu gestalten, dass sich Menschen mit verschiedenen Charismen und Fähigkeiten hier einbringen können.
Vielerorts erteilen Bischöfe die Genehmigung, dass auch Frauen, die Gemeinden leiten und die Pastoral koordinieren, sakramentale Dienste wie Taufen vornehmen dürfen. Wird die Erlaubnis z. B. bei Krankensalbungen nicht erteilt, ist das für Laiinnen und Ordensschwestern oft schmerzlich, weil sie kranke Menschen in ihrem Sterbeprozess häufig eine lange Zeit begleiten.
Ich kenne Frauen, die dann ein Gebet so gestalten müssen, dass darin für die kranke Person Gottes heilsame Nähe, Gottes Beistand, Gottes solidarische Liebe deutlich wird.

Frauen sind so engagiert. Es ist traurig, dass die Gleichstellung zwischen Mann und Frau in der Kirche nach wie vor nicht gegeben ist.
Weiler: Ja, meine Erfahrungen im Amazonasgebiet sind, wie gesagt, dass dort in der gesamten Pastoral Frauen viel Arbeit leisten. Und wenn man sich anschaut, wie viele von ihnen dabei mit Leitung betraut sind, dann besteht auch da immer noch ein großer Unterschied.

In der katholischen Kirche ist eine klerikale Mentalität weiterhin stark präsent. Wie sehen Sie das?
Weiler: Für mich ist es bewundernswert, dass Papst Franziskus versucht, mit der Synode Veränderungen in Bewegung zu setzen. Aber ich glaube, dass der synodale Prozess noch ein langer Weg sein wird, denn es braucht die Bereitschaft zur Veränderung. Und da muss jede:r bei sich selbst anfangen – vom Herzen und vom Verstand her. Das heißt, man muss schon daran glauben, dass Synodalität keine Modeerscheinung ist, sondern dass eine synodale Kirche dem Geiste Jesu entspricht. Es gibt eine wichtige Bibelstelle (Markus 10,43), wo es um Macht geht. Jesus sagt: „Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein.“ Diese Stelle sollten wir uns öfter ins Gedächtnis rufen und uns fragen: Wie hat Jesus Macht verstanden und gelebt? Das zeigt sich z. B. auch bei der Fußwaschung. In Johannes 13,13 spricht Jesus zu den Jüngern: „...Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen.“ Ich denke, das ist auch vom Glauben her immer wieder einzuüben, um Klerikalismus zu überwinden. Was mir aber Mut macht, ist, dass im Prozess der Synode trotzdem bereits einiges in Gang gekommen ist.

Sie haben Hoffnung, dass eine andere Kirche möglich ist?
Weiler: Ich lebe in einer Diözese, wo Umgestaltungsprozesse hin zu einer synodalen Kirche auf dem Weg sind. Es braucht eine Kirche, die bereit ist, an die Peripherien zu gehen, an die Ränder der Gesellschaft. Unser Bischof ermöglicht das ganz stark mit, zusammen mit vielen anderen. Für mich ist es ein Geschenk, hier in der Kirche Amazoniens mitwirken zu können. Es ist wie ein Samenkorn der Hoffnung, das zeigt: Kirche in anderer Weise ist möglich.

Autor:

Carina Müller aus Kärnten | Sonntag

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