Bischof Josef Marketz zu Besuch in Indien
Eintauchen in indische Glaubenswelt und Kultur
Wie gestaltet sich eigentlich das Glaubens- und Pfarrleben in Indien? Bei einem Lokalaugenschein konnte sich Bischof Josef Marketz selbst ein Bild davon machen.von Gerald Heschl
Indien und Kärnten sind sich näher, als es auf den ersten Blick erscheint: 21 Priester aus dem riesigen Land in Asien wirken hier. Im vergangenen Jahr besuchten die Diözesanbischöfe Raja Rao Thelegathoti und John Nellikunnel aus jenen Diözesen, aus denen die meisten Geistlichen kommen, Kärnten. Dabei sprachen sie eine Einladung an Diözesanbischof Josef Marketz aus, der dieser heuer nachgekommen ist.
Zwei Wochen besuchte er in Indien die Regionen Vijayawada in Andhra Pradesh und Idukki Kochi in Kerala im Süden Indiens. Die Reise hinterließ starke Eindrücke. „Ich war sehr dankbar für diese Einladungen, denen ich gerne gefolgt bin. Mich hat interessiert, woher unsere Priester kommen, ihr Umfeld und wie sich das Glaubens- und Pfarrleben in Indien gestaltet“, so der Kärntner Bischof. Für ihn war es tatsächlich eine Reise in eine „andere Welt“. Gemeinsam mit Kardinal Anthony Poola, dem Erzbischof von Hyderabad und Diözesanbischof Raja Rao Thelegathoti feierte er die heilige Messe anlässlich eines Wallfahrtsfestes.
Eine Million Gottesdienstbesucher
In den drei Tagen der Feierlichkeiten kamen mehr als eine Million Menschen zu den verschiedensten liturgischen Feiern. Dabei erlebte Bischof Marketz hautnah den großen kulturellen Unterschied: „Vieles ist schon geprägt bzw. übernommen von hinduistischen Traditionen.“ Die Priester in Indien gelten wie Hindu-Priester als heilige Männer. Sie zu berühren, bringt Segen: „Ich wurde vom Gesicht bis zu den Füßen von den Menschen berührt“, erzählt Marketz. Ebenso wichtig sei es, die Menschen zu segnen: „Ich habe Tausenden Menschen den Segen gespendet. Wo immer wir unterwegs waren, wollten die Menschen von mir und allen anderen Priestern gesegnet werden.“
Enorme Gastfreundschaft
Besonders beeindruckt zeigte sich Bischof Marketz von der enormen Gastfreundschaft der Inder. Egal wie arm die Menschen sind, sie heißen einen willkommen und freuen sich über jeden Besuch. „Man bekommt einen Blumenkranz oder einen Schal als Zeichen der Ehrerbietung umgehängt und wird herzlich empfangen“, so der Bischof. Es ist eine Offenheit, die man auch bei vielen indischen Priestern in Kärnten erleben kann. In Kochi in der Region Kerala hatte Bischof Marketz die Gelegenheit, mit Priesterseminaristen direkt in Kontakt zu kommen. Er wohnte in einem Priesterseminar und erlebte die Unterschiede in der Ausbildung, die in Indien zwölf (!) Jahre dauert.
Als indischer Priester in Kärnten
Aber wie geht es einem Inder, der aus dieser so komplett anderen Kultur- und Glaubenswelt nach Kärnten kommt? In Vijayawada wurde der Kärntner Bischof von Joseph Thamby Mula begleitet. Er ist Pfarrer in Pörtschach und seit Kurzem Dechant des Dekanates Klagenfurt-Land. „Der Beginn war sehr schwer“, gesteht Thamby Mula. „In Indien hat man ein ganz anderes Bild von Europa. Aus Europa sind ja die Missionare gekommen und haben uns das Christentum gebracht.“ Die Vorstellung eines christlichen Europas wurde aber bald schon relativiert: Während an einer Karfreitagsprozession in Thamby Mulas Heimat regelmäßig mehr als 5000 Menschen teilnehmen, waren es hier ganz wenige. Auch die fremde Sprache war am Anfang ein Hindernis und „oft habe ich mich gefragt, ob das die richtige Entscheidung war“.
Indische Gastfreundschaft
Doch bald schon wandelte sich das Bild. Der offene und freundliche Inder schloss Bekanntschaften, aus denen Freundschaften wurden. Heute ist er Pfarrer in Pörtschach, erlebt eine Art indische Gastfreundschaft auch in Kärnten, wo er „in manchen Familien sogar zu einem Teil der Familie geworden ist“, wie er beschreibt. Auch er selbst betreibt ein offenes Haus, kocht gerne für seine Gäste und fühlt sich rundum angekommen und angenommen.
Einen wesentlichen Unterschied zu Indien sieht Thamby Mula vor allem im Priesterbild. Nicht so sehr, dass der Priester in Indien als heiliger Mann verehrt wird. Das war dem bescheidenen Pfarrer mitunter sogar unangenehm. „In Indien ist der Pfarrer Priester, Administrator, Seelsorger, Sozialarbeiter, Psychologe, manchmal Arzt oder sogar eine Art Richter.“ Wenn in der Familie oder in der Nachbarschaft Konflikte zu klären sind, geht man selbstverständlich zuerst zum Priester und dann erst zu Ämtern.
Laien leiten das Pfarrleben
Die Diskussion um Laien in der Kirche Europas sieht Thamby Mula mit einer gewissen Gelassenheit. Einmal kommt er mit seinen Pfarrgemeinderäten und anderen engagierten Laien in seinen Pfarren sehr gut aus und ist dankbar für deren Engagement. Er kennt aber von Indien eine ganz andere Form der Laien-Beteiligung: Die Pfarren dort haben sehr viele Filialkirchen, in denen Laien als Katechisten das Pfarrleben leiten: „Sie gestalten jede Woche den Sonntagsgottesdienst, der Priester kommt mindestens einmal im Monat, um die Heilige Messe zu feiern und die Sakramente zu spenden.“ So organisieren Laien die Feste, die Vorbereitungen zu den Sakramenten, feiern Wortgottesdienste und vieles mehr. Auch das ist eine andere Form von Kirche, von der Europa lernen kann, betont Bischof Josef Marketz, der die Schaffung neuer Dienste durch Papst Franziskus sehr begrüßt. Insgesamt war der Besuch für den Kärntner Bischof eine „sehr positive Erfahrung und ein großer Gewinn, um in die Lebenswelt unserer indischen Priester einzutauchen“. Er sei „dankbar für den guten Dienst, den Inder hier in Kärnten leisten, und die vielfältigen Erfahrungen, die sie hier einbringen“.
Autor:Carina Müller aus Kärnten | Sonntag |
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