Hilfe für Menschen am Amazonas
Der Kampf ums Überleben

Die brasilianische Regierung probt den juristischen Generalangriff auf indigenes Land und indigene Rechte. Die betroffenen Völker wehren sich.
von Wolfgang K. Heindl
Brasilien ist eines der Länder mit den meisten Corona-Toten. Besonders betroffen: die indigenen Völker Amazoniens.Seit der Eroberung Amerikas ist klar: Viruserkrankungen sind der größte Killer. In den ersten 100 Jahren nach der Ankunft der Europäer starben 90 bis 95 Prozent der indigenen Bevölkerung – und zwar an von den Europäern eingeschleppten Infektionskrankheiten wie Pocken, Masern oder Grippe. Da es am ganzen Doppelkontinent diese ansteckenden Krankheiten zuvor nicht gab, hatte die ursprüngliche amerikanische Bevölkerung keine Antikörper gegen die für sie neuen Erreger aus Europa. Das macht sie extrem anfällig für Infektionen. Bis heute. Von den über 211 Millionen Brasilianerinnen und Brasilianern ist nur noch gut eine Million indigen. Es sind dies die Überlebenden einer über 500 Jahre andauernden Unterdrückungsgeschichte.
Zudem kommt, dass sich die Lebensumstände der Indigenen in den letzten Jahren stark verschlechtert haben. Immer mehr Goldsucher, Holzfäller, Bergbau- und Agrokonzerne dringen auf der Suche nach Profit in ihr Land ein. Für viele Völker ist das eine ständige Bedrohung. Konflikte, Gewalttaten und Morde nehmen zu.
Die brasilianische Regierung unter dem irrlichternden Präsidenten Bolsonaro befeuert diese Entwicklungen sogar noch. Bereits den Indigenen zugesprochenes Land soll ihnen wieder genommen werden. Dies, obwohl die Verfassung von 1988 im Artikel 231 klarstellt:
„§ 2. Das im traditionellen Besitz der Indios befindliche Land ist zu ihrem dauernden Besitz bestimmt, ihnen ist die ausschließliche Nutznießung der vorhandenen Ressourcen des Bodens, der Flüsse und Seen vorbehalten.[…] § 4. Das Land im Sinne dieses Artikels ist unveräußerlich und unverfügbar, und die Rechte an ihm sind unabdingbar.“
Der aus Österreich stammende emeritierte Bischof vom Xingu, Erwin Kräutler, hatte sich schon in der 1985 einberufenen verfassunggebenden Versammlung in seiner Funktion als Cimi-Präsident für die indigenen Landrechte stark gemacht. Er hätte das beinahe mit dem Tod bezahlt: Bei einem als Verkehrsunfall fingierten Attentat im Oktober 1987 starb sein Mitbruder. Er selbst überlebte schwer verletzt.
Seit dem Machtantritt von Bolsonaro wird zum Generalangriff auf die indigenen Völker getrommelt: Die staatliche Indiobehörde FUNAI wurde entmachtet, für indigene Gebiete ist das Landwirtschaftsministerium zuständig, und das indigene Gesundheitssystem sollte abgeschafft werden. Konzerne und Großgrundbesitzer fühlen sich ermutigt und besetzen einfach indigenes Land. Wer sich wehrt, riskiert, da getötet zu werden. Die von evangelikalen Fundamentalisten und Militärdiktatur-Bewunderern geprägte Regierung bedroht jene, die sich für indigene Rechte einsetzen, und hatte 2019 sogar den Geheimdienst auf die im Vatikan tagende Amazonien-Synode angesetzt.
Kritiker der brasilianischen Regierung sprechen von Verfassungsbruch. Bischof Kräutler und sein Nachfolger als Cimi-Präsident Erzbischof Roque Paloschi weisen schon seit Jahren auf den schleichenden Genozid an der indigenen Bevölkerung hin. Durch die Corona-Pandemie sind die Indigenen nun in einem Maß zusätzlich bedroht, wie seit der portugiesischen Eroberung nicht mehr. Der internationale Strafgerichtshof prüft auch deshalb eine Anklage auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Am 9. August, dem internationalen Tag der indigenen Völker, hatten sich zum ersten Mal in der Geschichte indigene Völker direkt an den Gerichtshof in Den Haag gewandt. Die Vereinigung der indigenen Völker Brasiliens (APIB) will mit eigenen Anwälten um ihre Rechte kämpfen.
Die entwicklungspolitische Organisation „Sei So Frei“ unterstützt als Partnerorganisation von Cimi die indigenen Völker Brasiliens.
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Für Spenden für „Sei So Frei“ und die Menschen im Amazonasgebiet verwenden Sie bitte den Erlagschein in dieser Ausgabe!

Autor:

Gerald Heschl aus Kärnten | Sonntag

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