Allerheiligen: ein Tag im Schatten des Totengedenkens. Dabei leuchtet das Fest aller Heiligen mit österlichem Licht voraus auf Christus, den König von Zeit und Ewigkeit, mit dessen Fest das Kirchenjahr bald enden wird.
von Georg Haab
Allerheiligen: Das Wort assoziiert für viele kürzer werdende Tage, schwindendes Licht und Wärme und Nebel, der die Sonne verdeckt und trübselig macht. Und Totengedenken. Ein Trauertag?
Es lohnt sich, ein wenig genauer hinzuschauen, denn dann beginnen sich die Nebel zu lichten, und wärmere Gedanken erhellen und erwärmen die Seele. So ist Allerseelen, der Tag des Totengedenkens und der Gräbersegnungen, dem Fest Allerheiligen nachgereiht. Weil aber der 1. November Feiertag ist und der 2. November nicht, finden die Gräbersegnungen meistens schon am Allerheiligentag statt – mit der Folge, dass die Bedeutung dieses übergeordneten Festes mehr und mehr in Vergessenheit gerät.
Dessen Ursprung liegt in der Zeit der Christenverfolgungen, als es nicht mehr möglich war, jeder und jedes Heiligen persönlich zu gedenken.
Ein Fest aller Heiligen
Und wenn ursprünglich nur „Märtyrer“ (= „Zeugen“) als Heilige verehrt wurden, so wurde durch das „Fest aller Heiligen“ der Blick gleichzeitig geweitet auf die, die den christlichen Glauben nicht erst durch ihren Tod, sondern auch schon durch ihr Leben bezeugt haben. Die durch ihr Leben Heil und Licht in eine dunkle Welt gebracht haben; die von ihren Zeitgenossen als heilend und heilbringend erlebt worden waren.
Zeitpunkt dieses Allerheiligenfestes war in der Ostkirche im 4. Jahrhundert der Sonntag nach Pfingsten. In der Westkirche, wo es erst etwas später belegt ist, wechselt der Zeitpunkt, bleibt aber immer mit dem Osterfest verbunden und damit in einer gänzlich anderen Atmosphäre: Das Fest atmet Auferstehung, Frühlingsluft und aufbrechende Natur.
Der 1. November
Während die orthodoxen Christen bis heute am Sonntag nach Pfingsten und damit am Bezug zu Ostern festhalten, setzte man Ende des 8. Jahrhunderts in Irland einen neuen Akzent und begann, das Fest am 1. November zu feiern, als Gegengewicht zum keltischen Jahresbeginn. Von dort aus verbreitete sich diese Tradition über Frankreich weiter, bis schließlich Papst Gregor IV. im Jahr 835 den 1. November verbindlich für die gesamte Westkirche festlegte. Das verschiebt den Akzent und verändert die Symbolik: Nun gibt die Natur, die sich zur Ruhe begibt, den Blick auf das Wesentliche und Tragende frei, und das Licht der Heiligen begleitet uns in die angebrochene dunkle Jahreszeit hinein. Die weiße Farbe der liturgischen Gewänder an diesem Tag (wie an Weihnachten und Ostern) unterstreicht dies.
Im 10. Jahrhundert stellte die Benediktinerabtei Cluny, von der damals eine bedeutende Reform des Katholizismus ausging, dem Allerheiligenfest einen „Tag des Gedenkens an alle verstorbenen Gläubigen“ bei (2. November), der sich rasch in der gesamten Westkirche verbreitete.
Gedenken der Verstorbenen
Wie die liturgischen Texte des ausklingenden Kirchenjahres (s. Seite 12-13 dieser Ausgabe) belegen, trugen sich die Menschen schon in Zeiten des Alten Testaments mit der Sorge, was uns nach dem Tod erwartet. In die Freude, die Heiligen dann bei Gott zu wissen, mischten sich Zweifel, ob das auch bei allen anderen „armen Sündern“ so einfach zu denken wäre. Die Aussage des ersten Korintherbriefs, dass Menschen, die ihr Leben nicht auf Jesus Christus gebaut hätten, „wie durch eine Feuer hindurch“ gerettet würden (1 Kor 3,15), begründete die Idee eines Reinigungs- oder Fegefeuers. Und mit dem Anliegen, jenen Menschen vielleicht auch nach ihrem Tod noch helfen zu können, entwickelten sich schlussendlich ganze Gedankengebäude und Volksbräuche, die auch heute noch gepflegt werden. Gebete, Fürbitten und verschiedene Bräuche sollen an Allerseelen dazu beitragen, dass sie ihre Vollendung in Gott finden.
Ist man sich des Ursprungs der beiden Festtage bewusst, so kann man sich durchaus an die aus dem Apos-tolischen Glaubensbekenntnis bekannte „Gemeinschaft der Heiligen“ erinnern, in der auch wir uns geborgen wissen dürfen: Sie bezog sich ursprünglich auf diejenigen, die am Heiligen – also an der Eucharistie – teilhaben, also auf die Kirche als Ganzes.
Und was hat Halloween, am liturgischen Vorabend von Allerheiligen, mit dem Fest zu tun? Der Name leitet sich ab vom englischen „All Hallow‘s Eve“ („Abend vor Allerheiligen“), das Brauchtum kam in den 1990er-Jahren aus England und Amerika nach Europa.
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