Zwischenzeiten - Gedanken von Sr. Silke Mallmann CPS
In der Zwischenzeit ...
„In der Zwischenzeit habe ich noch dies und das erledigt.“ Das kennen wir nur zu gut. Gemeint ist hier der Freiraum zwischen zwei Terminen, zwei Ereignissen, den man noch schnell mit einer Erledigung, einer Aktivität füllen kann. Am Ende des Tages kann man stolz zurückschauen, was man so alles geschafft hat. In Managementkursen spricht man von Optimierung, Effizienz, Zeiteinsparung. Dass dies kein neues Phänomen ist, bezeugt die bereits 1942 entstandene Erzählung „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry. Der kleine Prinz trifft einen Händler, der durststillende Pillen verkauft, durch deren Einnahme man 53 Minuten am Tag einsparen kann. „Wenn ich mir 53 Minuten erspart hätte“, erwidert der kleine Prinz „würde ich ganz genüsslich zu einem Brunnen laufen.“ – Was mache ich mit diesen Zwischenzeiten, die mir der Alltag schenkt? Ich habe etwas Neues entdeckt, das auch für mich erst ungewohnt und befremdend war: Ich mache Nichts. Läutet die Schulglocke, haste ich nicht direkt zum Auto, zum nächsten Termin. Oft bleibe ich in der Klasse sitzen, lausche auf die Geräusche im leeren Schulhaus, rieche den typischen Geruch von Schulklassen, betrachte die Stühle, die auf den Tischen um ich herum aufgebaut sind, und mache nichts. Ich bin nur da. Ich genieße den Freiraum, die Leere, das Nichts. Und nach einiger Zeit beginnt der Klassenraum zu mir zu sprechen. Bilder der SchülerInnen tauchen in mir auf. Sätze, die heute hier gefallen sind, klingen nach. Kleinigkeiten, die ich übersehen habe, werden bewusst. Die Leere, das Nichts füllt sich mit Leben, und ich spüre die Dankbarkeit des kleinen Prinzen, der zum Brunnen läuft.
Autor:Sonntag Redaktion aus Kärnten | Sonntag |
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