LGBTIQ+: Was heißt das eigentlich?
Zum "Pride-Monat-Juni"

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Der „Pride-Monat Juni“ bringt dem Thema große Aufmerksamkeit, aber auch Gegnerschaft. Dabei bleibt im Hintergrund vieles ungeklärt.
von Benno Karnel

Kennen Sie den Begriff „Fremdeln“? Ein kleines Kind ist fremden Personen gegenüber zuerst einmal misstrauisch, hat Angst, versteckt sein Gesicht bei ihm vertrauten Personen, bei Mama und Papa. So geht es uns Menschen immer bei Fremden, uns Unbekannten. Das ist im Menschen grundgelegt und hilft uns seit Urzeiten zu überleben. Erst wenn man sich kennengelernt hat, vertrauter geworden ist, kann man dann miteinander.Wir befinden uns im Monat Juni, den eine Personengruppe zu ihrem Monat erklärt hat. Gerade war in Wien die Pride-Parade; auch in Kärnten formieren sich diese Menschen und zeigen, dass es sie gibt.
Laut neuester Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO gehören ca 7,5 Prozent der Weltbevölkerung dieser Menschgruppe an, ob die Betroffenen davon wissen oder nicht, ob sie es ausleben oder nicht. Das heißt für unsere Kärntener Durchschnitts-pfarren mit 3.000 Katholik:innen: 225 Personen.
Mir scheint, uns in der Kirche geht es im Moment mit LGBTIQ+-Personen ähnlich wie Kindern mit fremden Personen: Wir fremdeln. Viele Verantwortliche haben noch Angst im Umgang mit ihnen, sind damit noch nicht vertraut.
Seit Jahrhunderten wurde uns alles, was außerhalb der kirchlichen Norm lag, als sündig vermittelt, Leute wurden ausgeschlossen mit dem Hinweis, „dass das schon in der Bibel so steht“, und man beruft sich da heute noch auf den Apostel Paulus , speziell auf den sogenannten „Lasterkatalog“ in 1 Kor 6, 9 und in Röm 12, 6 ff, wo von widernatürlichen homosexuellen Praktiken heterosexueller Männer die Rede ist. Man vergisst dabei allzu schnell, in welches Umfeld hinein Paulus seine Warnungen geschrieben hat: Im hellenistischen Kontext war es normal, dass Lehrer ihre Macht über Schüler missbrauchten und sie zu Lustknaben machten. Im römischen Imperium nützten die Mächtigen ihre Sklavinnen und Sklaven aus, nicht nur zur Arbeit. Dagegen wendet sich Paulus. Machtmissbrauch, geistiger, geistlicher, sexueller Missbrauch ist auch heute noch ein Thema in der Kirche, auf das wir genau hinschauen müssen.
Vielleicht hilft ein wenig Information, Misstrauen abzubauen und Verständnis zu wecken und mit Mut auf diese Personengruppe zuzugehen.
LGBTIQ+ ist ein Wort, das gebildet wird aus den Abkürzungen der englischen Begriffe Lesbian, Gay, Bi, Inter, Trans, Queer. Das Plus oder Sternchen soll dabei noch den Raum öffnen für weitere Selbstbeschreibungen und für Personen, die sich angesprochen oder zugehörig fühlen.

Was bedeutet LGBTIQ+?
Die ersten drei Buchstaben beziehen sich auf sexuelle Orientierungen:
Lesbisch ist eine Selbstbezeichnung für Frauen, deren emotionale, romantische und/oder sexuelle Orientierung sich an Frauen richtet.
Gay oder auf Deutsch schwul ist der Ausdruck für gleichgeschlechtliche Orientierung von Männern.
Bisexuell ist der Begriff dafür, sich zu beiden Geschlechtern hingezogen zu fühlen; heute wird dieser Begriff auch noch offener verwendet, also nicht an die zwei Geschlechterkategorien Mann und Frau gebunden.
Trans ist die Selbstbezeichnung oder der Überbegriff für Menschen, die sich nicht mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren können, die ins andere Geschlecht schlüpfen wollen.
Inter ist der Überbegriff für Menschen, die mit einer Variation der Geschlechtsmerkmale geboren wurden. Ihr Körper kann sich biologisch von normierten Vorstellungen von weiblich oder männlich unterscheiden. Ich denke, wir in Kärnten haben eine prominente Person in Erika/Erich Schinegger.
Und der Begriff queer bedeutet wörtlich übersetzt „seltsam“. Er wird als Selbstbezeichnung von Personen verwendet, die ihre Identität, ihr Geschlecht, ihre Sexualität, einfach ihre Lebens- und Liebesweisen außerhalb gesellschaftlicher Normvorstellungen verorten.

Krankheit, Neigung, Identität?
Die Weltgesundheitsorganisation hat schon (oder erst …) 1995 all diese Neigungen und Identitäten aus dem Krankheiten-Register gestrichen. Das heißt auch, dass es keine sogenannten „Konversionstherapien“ geben darf, weil es sich eben nicht um Krankheiten handelt und sie somit auch nicht „behandelbar“ sind. Menschen sind einfach so, wie sie sind, anzunehmen. Das gilt auch für uns Christen und Christinnen, und das schon von Beginn der Bibel an. In Gen 1,31 heißt es: „Und Gott sah alles an, was er gemacht hatte. Und siehe, es war sehr gut.“Ich denke, wir brauchen nicht göttlicher als Gott zu sein. Wenn er uns so, wie er uns gemacht hat, als sehr gut empfindet, können wir es auch so sehen und alle Menschen, gleich woher sie kommen, wie sie ticken und manchmal auch austicken, welches Geschlecht und welche sexuelle Orientierung sie haben, ob alt, ob jung, ob mit besonderen Bedürfnissen, ob gesund oder krank, als unsere Geschwister annehmen und mit ihnen einigermaßen liebevoll umgehen.
Gleichgeschlechtliche Partnerschaften sind in der Kirche auch noch nicht im Blick. Staatlich dürfen gleichgeschlechtliche Paare mittlerweile heiraten. Einige von ihnen möchten auch einen Segen in der Kirche für ihre Beziehung. Als am 15. März 2021 das Segensverbot für gleichgeschlechtliche Beziehungen aus dem Vatikan kam, war zuerst große Bestürzung da, vor allem in Europa. Dann machten immer mehr Theologen und auch Bischöfe sich auf, gute Gründe für Segnungen zu finden. Und viele machen es mittlerweile, zwar unerlaubt, aber ganz stark die konkreten Menschen und ihre Biografien im Blick habend, erbitten sie für die Paare den Segen Gottes. Ähnlich vielleicht, wie die Liturgiebewegung vor über hundert Jahren mit Gottesdiensten in der Landessprache angefangen hat, was erst beim zweiten Vatikanischen Konzil offiziell erlaubt wurde. In der Kirche ist auch jetzt schon viel Offenheit und Akzeptanz vorhanden, weil Gott ja die Liebe ist.

Benno Karnel ist Diözesanseelsorger für Beziehung, Ehe und Familie und Leiter des Familienreferats.

Autor:

Sonntag Redaktion aus Kärnten | Sonntag

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