Caritas
Wenn man jeden Euro dreimal umdrehen muss...

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Die Sorge, nicht mehr zu wissen, wie man die Stromkosten, Lebensmittel oder gar die Miete zahlen kann, beschäftigt viele junge Eltern, Mütter und Alleinerziehende. Eine etwas andere Muttertagsgeschichte.
von Ingeborg Jakl

Ihre Hände sind rot und rissig. Aber nicht wie bei so vielen jetzt vom gewissenhaften Händewaschen und Desinfizieren, sondern „vom täglichen Wäschewaschen“, sagt Nadine S. (Name der Redaktion bekannt.) Die 32-Jährige hat jeden Tag einen Berg von Kinderkleidung zu bearbeiten. Seit Wochen ist die Waschmaschine kaputt. Auch wenn sie jetzt durch die Geschäftsöffnungen wieder eine kaufen könnte, das Geld reicht einfach nicht dazu.
Da wird das Badezimmer kurzfristig zum Waschraum umfunktioniert. Einschäumen im Waschbecken, ausschwemmen in der Badewanne. Anschließend tüchtig auswringen und dann im Korb hinaus auf die Wäscheleine unten im Hof.
Nadine lebt mit ihrem Mann und vier Kindern in einer Wohnung in der Nähe von Klagenfurt. „Mit dem Lohn meines Mannes, der im Gastgewerbe tätig war, sind wir halbwegs über die Runden gekommen“, erzählt sie rückblickend. Aber dann kam die Coronakrise und mit ihr eine Situation, die die sechsköpfige Familie wie so viele andere auch unbarmherzig erwischte. Die Kündigung für den Familienvater brachte die vorher schon angespannte Familienstruktur völlig außer Kontrolle. „Plötzlich war das Einkommen weg, keine Schule mehr, die Kinder den ganzen Tag daheim.“ Lernen am Computer hieß es für die drei Großen. „Wir haben nur einen Computer, der für diese Lernsituation gerüstet ist.“ Das Problem, dass alle drei fast gleichzeitig davor sitzen sollten, musste erst einmal gelöst werden. Dazu der Jüngste, der es allerdings prima fand, dass seine Geschwister jetzt schon am Vormittag für ihn Zeit zum Spielen hatten.
Dazwischen kochen, aufräumen, waschen, bügeln und die Sorge um die wirtschaftliche Zukunft. Nadine stand pausenlos unter Strom, wie sie diese Situation meistern sollte. Zu den seelischen Problemen kamen auch noch die materiellen. Die Miete, die Raten für die Möbel. Bei der Kinderkleidung bekommt sie von ihrer Schwester und der Schwägerin viel. „Das ist ein Segen“, so die junge Mutter.
Eine Riesenlast
Erst als sie meinte, es geht überhaupt nichts mehr, wandte sie sich an die Caritas-Sozialberatung in Klagenfurt. „Ganz schnell habe ich Antwort bekommen“, sagt sie und die Zusicherung, dass sie Hilfe zu erwarten habe, was in diesem Fall zunächst bedeutete, dass zumindest die Waschmaschine erneuert wird. „Das war ein wichtiger Schritt, und mir ist eine Riesenlast von den Schultern gefallen.“ Das Arbeitslosengeld reicht vorn und hinten nicht. „Wir drehen jeden Euro dreimal um, damit die Kinder von unseren Sorgen nichts mitbekommen.“ Ihr Mann und sie sind ein eingespieltes Team. Aber diese wochenlange Ausnahmesituation hat auch an ihren Kräften gezehrt.
Christian Eile von der Caritas-Sozialberatung in Klagenfurt kennt gerade jetzt viele solcher Situationen. „Wir können wieder Beratungsgespräche, nach telefonischer Voranmeldung, abhalten“, lädt er Betroffene ein, nicht zu lange zu warten.
Das Caritas-Beratungsteam ist für Krisengespräche geschult. „Zuhören, reden lassen und jede Not ernst nehmen“, sind die Prämissen, erzählt Eile. „Wir überprüfen zunächst einmal alle Unterlagen. Wir schauen, welche Einnahmen es gibt und wie das Geld ausgegeben wird“, so Eile. Das sind keine lästigen Zwangsmaßnahmen, sondern bedachter Teil der Hilfe. In diesen Fällen werden andere Stellen eingeschaltet, die helfen können. Etwa vom Land oder vom Magistrat. Das betrifft zumeist Förderungen. Eile: „Viele Menschen in Not wissen gar nicht, dass ihnen gewisse Förderungen zustehen. Aber auch Wohnbeihilfen oder Zuzahlungen beim Strom werden nicht in Anspruch genommen. Das ist für diese Familien viel Geld, das liegen bleibt.“
Gemeinsam ein Konzept erarbeiten
Gemeinsam mit den Betroffenen erarbeitet dann das Beratungsteam der Caritas ein Konzept: „Dieses soll helfen, dass der Alltag auch künftig bewältigt werden kann.“ Die Caritas hilft neben der gezielten administrativen Aufklärung und Beratung auch finanziell über die gröbsten Probleme hinweg. Das Geld wird aber meist zweckgebunden ausbezahlt. Geholfen wird bei der Caritas übrigens nicht nach „Schema-F“: „Wir behandeln jeden Fall einzeln und individuell. Es gibt keinen Plan, der besagt: Alleinerzieherinnen bekommen ab drei Kindern so viel, ab vier so viel.“ Wie jede Person ihr ganz persönliches Schicksal hat, so gibt es für jede auch die ganz persönlich zugeschnittene Hilfe. Das ist sozusagen das „Extra“ der Kärntner Caritas. Daher stehen die Beratungsgespräche im Mittelpunkt. Für sie wird viel Zeit anberaumt.
Wie wichtig die Hilfe für Familien in Not ist, zeigt sich gerade in Krisenzeiten wie jetzt durch die Corona-Pandemie dramatisch. Eile: „Wir erleben in jüngster Zeit einen enormen Anstieg an Hilfsansuchen.“

Autor:

Gerald Heschl aus Kärnten | Sonntag

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