Diskussion zur Sterbehilfe
In Würde sterben – Ideal und Wirklichkeit

Foto: Georg Haab
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Selbstbestimmt und in Würde sterben: Was heißt das? Eine hochrangige Expertenrunde diskutierte die Frage auf Einladung des Katholischen Familienverbands und zeigte auf, was ohnehin möglich ist und wo Handlungsbedarf besteht.
von Gudrun Kattnig & Georg Haab

Aus Anlass des am Verfassungsgerichtshof laufenden Verfahrens zum Thema Sterbehilfe lud der Katholische Familienverband Kärnten am 22. Oktober unter dem Thema „Sterben – Wunsch und Wirklichkeit“ eine Expertenrunde zum Dialog ins Kärntner Landesarchiv. Palliativmediziner Rudolf Likar, Strafrichter Christian Liebhauser-Karl, Notar Klaus Schöffmann und Pfarrer Richard Pirker erörterten in einer vielschichtigen Diskussion die Frage: Wie möchten wir sterben, und wo stoßen wir an die Grenzen der Wirklichkeit?
„Es gibt Situationen, in denen es der Wunsch von Menschen ist, zu sterben. Unsere Aufgabe ist es, Patienten beizustehen und Hilfestellung zu liefern. Palliativ-Care und Hospiz gehören ausgebaut und regelfinanziert!“, so Primarius Likar. „Sterben an der Hand des Menschen, nicht durch die Hand des Menschen“ ist, nach Kardinal König, sein Credo.
Selbstbestimmung im Sterben
Notar Schöffmann informierte über das gültige Recht auf Selbstbestimmung bis zum Lebensende, umgesetzt durch Vorsorgemaßnahmen wie die Vorsorgevollmacht und das Recht, Behandlungen auch vorab in einer Patientenverfügung abzulehnen. Solange ein Mensch entscheidungsfähig ist und seinen Willen zum Ausdruck bringen kann, ist dieser zu beachten und den Behandlungsentscheidungen zugrunde zu legen. Dafür hat neben dem Arzt auch ein vom Patienten selbst bestimmter Vertreter zu sorgen.
Richter Liebhauser-Karl erwartet sich eine klare Positionierung des Gesetzgebers, nicht nur der Gerichtsbarkeit. Wir haben ein Recht darauf, die Grenzen der Zulässigkeit von Sterbehilfe vorab zu kennen und nicht erst durch Sanktionen des Strafrechts. Aber der Gesetzgeber weigere sich seit Jahren, die Gesetzesgrundlage, die aus dem Jahr 1934 stamme, zu aktualisieren. Ihm ist sei wichtig, auch in Ausnahmesituationen die Grund- und Menschenrechte einzuhalten und nicht einzuschränken.
Sterben als Abschied in Würde
Theologe Richard Pirker betonte, dass Menschen sich in der christlichen Tradition als Ebenbild Gottes sehen. Das Leben sei Geschenk. Lebensende und Sterben haben einen Sinn und seien zum Dasein gehörig. „Dass Sterbende von Ärzten, die wie Marsmännchen ausschauen, behandelt werden und sich nicht von ihren Angehörigen verabschieden können, darf nicht sein“, fand die Zustimmung aller Podiumsteilnehmer.
Thomas Zeloth, Direktor des Landesarchivs und Gastgeber des Abends, verwies auf die im Archiv befindlichen Akten. Sie bergen den Nachweis über den subtilen Druck, der in jüngerer Geschichte auf Menschen ausgeübt wurde. Dies sei im Blick auf Zwangssterilisationen, aber auch im Blick auf „Euthanasie“ belegt. Er erinnerte, dass dieser Begriff in der Zeit des totalitären Nazi-Regimes für ein gewaltvolles, nicht selbstbestimmtes Sterben verwendet wurde. Dass das Wort heute wieder salonfähig werde, sei höchst unverständlich und mit Sorge zu betrachten.
Blick über die Grenzen
Als Moderatorin führte Gudrun Kattnig durch den Abend. Sie informierte, dass in allen Ländern, die eine Öffnung der sog. Sterbehilfe (Beihilfe zur Selbsttötung/Tötung auf Verlangen) zuließen, die diesbezüglichen Todesraten massiv anstiegen. In den Niederlanden machten seit 2002 bereits 60.000 Menschen davon Gebrauch. In einigen Gegenden dort liegt die Rate bei 15 Prozent. Zu beobachten sei, dass auf die Öffnung, die anfangs nur schwerkranken Personen am Lebensende zugedacht war, rasch die Forderung folgte, dass Sterbehilfe auch anderen Gruppen nicht vorenthalten werden dürfe. So wurde sie in Folge psychisch Kranken, Demenzkranken und schwerkranken Häftlingen erlaubt. Schließlich werde argumentiert, man dürfe, um nicht zu diskriminieren, auch gesunden „lebensmüden“ Menschen das „Grundrecht auf Suizid und Suizidbeihilfe“ nicht verwehren. Damit werde ein Zwang auf die Institutionen ausgeübt, die Beihilfe oder Tötung auf Verlangen auch dort zuzulassen. So wird die Sterbehilfe u. a. auch in Einrichtungen der Barmherzigen Brüder in Belgien und den Niederlanden durchgeführt.
Der Abend, der mit über 100 Gästen sehr gut besucht war, endete nachdenklich. Die Entscheidung der 14 Richter des VfGH zum Thema wird im November erwartet. Entschieden wird mit einfacher Mehrheit.
Weitere Informationen zum Thema finden Sie unter www.lebensende.at.

Autor:

Gerald Heschl aus Kärnten | Sonntag

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