Autism Friendly Austria
„Ich möchte am liebsten gleich starten“­

Foto: Katja Schöffmann
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Der Weg in den Beruf ist für Menschen im Autismus-Spektrum besonders schwierig. Unternehmen profitieren von Autist:innen. Wie der Sprung in das eigene Arbeitsleben gelingen kann, untersucht eine Gruppe im Forschungsprojekt an der Fachhochschule Kärnten. Ein Beispiel für Inklusion zeigt die Diözese Gurk. von Katja Schöffmann

Die Begeisterung steht dem motivierten jungen Mann ins Gesicht geschrieben. Sandro Salbrechter, 17 Jahre alt und Autist, hat es geschafft: Er absolviert ein Praktikum in der Trauerpastoral bei der Katholischen Kirche Kärnten. Erste Schritte im Arbeitsleben – gerade für autistische Menschen oft eine fast unüberwindbare Hürde. 80 bs 90 Przent der Erwachsenen im Spektrum sind arbeitslos.

Ein besonderes „Anders-Sein“
Knapp 90.000 Menschen in Österreich leben im Autismus-Spektrum (AS), diagnostiziert als tiefgreifende Entwicklungsstörung. Neurologische Vielfalt lautet die Devise. Jeder Autist, jede Autistin ist anders. Eine besondere Wahrnehmung, die Kommunikation mit Mitmenschen, soziale Interaktion und repetitives Verhalten können Schwierigkeiten bereiten. Ein strukturierter Alltag gibt Betroffenen Sicherheit.

Klarheit und Struktur sind wichtig
Sandro erzählt: „Meine Diagnose bekam ich mit zehn Jahren. Nach der Pflichtschulzeit ging ich zu ‚AusbildungsFit‘ nach Feldkirchen, danach zum Beruflichen Bildungs- und Rehabilitationszen-trum (BBRZ). Dort bekam ich das Praktikum hier in der Trauerpastoral“, berichtet Sandro. „Ich arbeite viel am Computer, erledige Schreibarbeiten, erstelle Tabellen oder recherchiere“, erzählt er von seinen Aufgaben an einem typischen Praktikumstag. „Telefonieren muss ich nicht. Nach der Einarbeitungszeit bin ich auch nicht mehr nervös“, ist Sandro erleichtert. Astrid Panger, Leiterin des Referates für Trauerpastoral der Diözese Gurk und der Plattform „Verwaiste Eltern“, erzählt: „Vom BBRZ bekomme ich immer wieder Praktikant:innen. So auch die Anfrage, ob ein dreiwöchiges Praktikum für Sandro möglich ist.“
Viel Ruhe mitbringen, geduldig erklären und sich Zeit nehmen – für Panger unabdingbar in der Zusammenarbeit mit Autist:innen. „Sandro ist einfach großartig!“, so ihr Fazit. Sandros Arbeitsauftrag ist klar und strukturiert. „Er arbeitet völlig selbstständig, fragt immer wieder etwas nach, aber erledigt alles zur absoluten Zufriedenheit“, berichtet sie. „Ich muss ihn oft stoppen, weil er beim Arbeiten viel zu schnell ist. Ich muss ihn erinnern: ,Trink etwas, mach eine Pause‘“, bringt sie Sandros autismusspezifische Besonderheiten auf den Punkt. „Es ist hilfreich, dass ich über die Diagnose Bescheid weiß. So kann ich überlegen, worauf ich genau achten soll“, erklärt Panger.
„Ich möchte am liebsten gleich starten. Die Arbeit hier ist super“, resümiert Sandro mit einem Strahlen in den Augen. Er wünscht sich einen besseren Umgang mit der Autismus-Diagnose: „Es gibt noch immer viele Klischees“, weiß er. Schnelles Auffassungsvermögen ist seine Stärke. Auch sozial klappt es: „Wir lachen viel. Wenn ich es nicht wüsste, würde mir sein Autismus nicht auffallen“, gesteht Panger. „In der Trauerpastoral beraten und begleiten wir Menschen in ihrer Trauer. Der erlittene Verlust soll in das eigene Lebenskonzept integriert werden“, informiert sie über ihren Arbeitsbereich. Es gibt u. a. Einzel- und Gruppengespräche, geistliche Begleitung im Trauerprozess sowie Angebote für Pfarren, Berufsgruppen und Netzwerkpartner.

Der steinige Weg in den Beruf
Das BBRZ in Kärnten bietet mit dem im Herbst 2021 gestarteten Pilotprojekt „charaktAUristTic“ Hilfe für Autist:innen bei der Lehrstellensuche und der Entwicklung von beruflichen Soft Skills an. Gisela Schwarz, Coach und Ansprechpartnerin, informiert: „Die Wirtschaftskammer unterstützt uns, wir arbeiten mit Inklusion Kärnten und der Beratung MiAS der Diakonie de La Tour zusammen“. Autist:innen können das Angebot drei Monate mit Aussicht auf Verlängerung nutzen. „Sehr wichtig: Langzeitpraktika. Wir nehmen Kontakt zu Unternehmen auf“, so Schwarz. „Der Schlüssel sind die Unternehmen. Sie profitieren von den Talenten, die Menschen im Autismus-Spektrum mitbringen. Im Idealfall gibt es am Arbeitsplatz für Autist:innen eine:n Mentor:in und keinen ernormen Leistungsdruck wie in der freien Wirtschaft. Sandro beispielsweise nahm an einem Frühstück mit Bischof Josef Marketz teil und sie haben ein Foto gemacht. Sandro fühlt sich hier gesehen und wertgeschätzt“, freut sich Schwarz.

Herausforderung Arbeitsleben
Das Projekt „AFA – Autism Friendly Austria“ der Fachhochschule Kärnten arbeitet zusammen mit Gemeinschaftsforscher:innen an einer autismusfreundlichen Lebensumgebung. Sechs Arbeitsgruppen mit Autist:innen, Betreuungspersonen und Interessensvertreter:innen arbeiten an den Themen Arbeitsleben, Behördenkontakte, Bildung, Einkaufen, Gesundheitssystem sowie Info, Netzwerk & Austausch.
„Eine Chance am Arbeitsmarkt“
Schwarz, auch Mitglied im Projekt, weiß, was es braucht: „Autist:innen sollen ihr Potenzial entfalten können.“ Für Panger ist es ein großes Anliegen, „dass für Sandro eine passende Lehrstelle gefunden wird“. „Jede:r verdient eine Chance am ersten Arbeitsmarkt. Für mich der Schlüssel zu einem strahlenden Lächeln im Gesicht“, so Katharina S. aus der Gruppe „Arbeitsleben“.

Autor:

Carina Müller aus Kärnten | Sonntag

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