Tagung zu 100 Jahre Volksabstimmung
Die Zukunft der Kärntner Slowenen
Vom 2. bis 4. Juli findet die vierte Tagung der Serie „gemeinsam2020skupno“ zu 100 Jahre Volksabstimmung statt. Sie wagen diesmal den Blick nach vorne unter dem Motto „Die Zukunft der Kärntner Slowenen“. Wie sieht die Prognose aus?
Pirker: So neu ist der Blick nach vorne nicht. Wir schauten schon bei den vorigen Tagungen in die Vergangenheit, analysierten die Gegenwart, probierten aber auch einen Blick in die Zukunft. Das begann mit der Frage der alten und neuen Minderheiten, der Grenzziehungen, und im Vorjahr gingen wir der Frage von Mehrheiten und Minderheiten nach. Im Vorbereitungsteam war uns gleich klar, dass nur der Blick in die Vergangenheit zu kurz greift. Das Erbe ist wichtig, aber die Frage, wie wir damit umgehen, ist noch viel entscheidender. Wir fragen nach Veränderungsbedarf, nach Entwicklungstrends.
Dominieren nicht Abwanderung und Assimilierung?
Pirker: Wir wollen auf der Tagung unterschiedliche Aspekte gegenwärtiger Herausforderungen betrachten. Vor allem geht es uns darum, Entwicklungen anders zu denken. Immer mehr Menschen aus der Mehrheitsbevölkerung lernen Slowenisch. Oder schauen Sie, was sich in der Corona-Zeit ganz kurzfristig in puncto Digitalisierung verändert hat.
Das hätte auch einen Einfluss auf die Urbanisierung und die Diaspora ...
Pirker: Genau. Wir verstehen unter Diaspora die Tatsache, dass viele Angehörige der Volksgruppe in Graz, Wien oder noch weiter weg leben. Dieser Frage gehen wir in einer Podiumsdiskussion am Freitag nach. Wie leben und erleben sie ihre Zweisprachigkeit? Wie schafft man die Verbindung zur Volksgruppe? Ist sie wichtig und welche Unterstützung braucht es dafür? Da geht es vor allem darum, welche Entwicklungspotenziale die Digitalisierung für die Volksgruppe bringt.
Es wird gerade zum Jubiläum viel über die Volksgruppe diskutiert. Sie fragen ja auch, was Kärntner Sloweninnen und Slowenen selbst wollen ...
Pirker: Es ist entscheidend, dass wir nicht nur sagen, was aus Sicht der Wissenschaft, der Politik etc. notwendig ist, sondern dass wir Kärntner Sloweninnen und Slowenen selbst nach ihren Bedürfnissen fragen. Das geschieht gleich am ersten Tag. Wir holen Jugendliche auf´s Podium und fragen sie, wie sie die Situation der Volksgruppe erleben. Das ist heute ja ganz anders als noch vor 20 oder gar 30 Jahren. Es geht uns auch darum, wie sie ihre Identität erleben. Was bedeutet es heute, Kärntner Slowene zu sein – in Zeiten der EU und der Globalisierung?
Die starke Teilnahme von Jugendlichen zeichnet diese Tagungen aus. Was sind die Erwartungen in Bezug auf die jungen Menschen?
Pirker: Es geht uns darum, dass einerseits die Situation der Volksgruppe in Kärnten auch in Schulen behandelt wird. Andererseits sollen junge Menschen auf den Themenbereich Vielfalt und Diversität aufmerksam gemacht werden. Dazu gehört auch die allgemeine Frage: Wo bin ich Angehöriger einer Mehrheit und wo einer Minderheit? Das berührt ja viel weiter gehende Fragen des Zusammenlebens, aber auch die Frage des eigenen Standpunktes.
Ein zentraler Punkt ist die Bildung und ein Vergleich mit anderen Regionen. Was kann man daraus lernen?
Pirker: Zunächst schauen wir nach Wales in Großbritannien und nach Kanada. Das sind Beispiele zweisprachiger Regionen, wo es andere Ansätze des Spracherwerbes gibt. Wir wollen einmal schauen, ob man in Kärnten daraus etwas lernen könnte. Selbstverständlich sind auch Kärntner Experten dabei, um die unterschiedlichen Systeme besser vergleichen zu können.
Auch die rechtliche Situation wird beleuchtet. Wie sieht es damit aus? Gibt es Verbesserungsbedarf?
Pirker: Uns geht es zunächst um einen Blick darauf, wie unser Rechtssystem gewachsen ist. Mit dem Staatsvertrag von St. Germain und dem dort verankerten Minderheitenrecht haben wir uns schon ausführlich beschäftigt. Aber wir wollen von dort ausgehend die verschiedenen überstaatlichen Ebenen vergleichen – von der UNO über die OSZE bis zur EU. Im Vergleich sieht man dann, wo noch Verbesserungsbedarf besteht.
Die Tagungsreihe begann 2017. Heuer ist der vierte und letzte Tagungsteil. Wie geht es weiter?
Pirker: Zuerst wird es zu den Tagungen ein Buch geben. Dieses wird im Herbst präsentiert. Ich glaube aber nicht, dass die Volksgruppenfrage 2021 für Kärnten erledigt ist. Es hat sich immer gezeigt, dass gerade aus einer solchen Tagungsreihe weitere Fragen entstehen, die man weiter bearbeiten sollte. So etwa die Frage, wie man den Mehrwert der Zweisprachigkeit ausschöpfen kann? Wie kann sich Kärnten in seiner doppelten Identität darstellen? An diesen Fragen werden wir sicher weiterarbeiten.
Autor:Gerald Heschl aus Kärnten | Sonntag |
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