Wie neu beginnen geht – Fastenserie Teil 1
Frühlingsschwung und Neuanfang – Es darf beginnen

Neu beginnen  | Foto: Foto: photocase/sybille sterk

In der Fastenzeit teilt uns Barbara Pachl-Eberhart Woche für Woche bis Ostern ihre Gedanken zum Thema „Neustart – Wie neu beginnen geht“ mit.

Es darf neu beginnen. Wie köstlich, der Klang dieser vier kleinen Wörter. Wie verheißungsvoll die Bilder, die sofort aufsteigen wollen aus dem Blau meiner Seele. Das Bild eines gepackten Koffers, dazu passt Urlaubsgefühl. Das Bild einer Knospe. Eine sich öffnende Tür. Der Klang von „Hallo“, ein Seufzen, ein „Endlich“. Vogelgezwitscher, Tulpengeruch. Es darf neu beginnen. Was für eine Erlaubnis. Was für eine ausgestreckte Hand!

Neu
Es gibt Momente und Phasen, da fühlt sich das Anfangen wirklich so an. Im Frühling zum Beispiel, wo die ersten Male nur so ausschwärmen. Das erste Grün, der erste Tag ohne Jacke, das erste Frühstück im Freien, die erste Schwalbe, der erste echte Energieschub, wetterbedingt. Wenn draußen das Lüftchen gut weht, steigt auch drinnen die Lust für neue Beginne. Im Kleinen vielleicht, mit neuen Ideen für die Wohnungseinrichtung, mit Ausmist-Anfällen, mit dem Griff zum Telefon, um endlich einmal wieder bei A. oder G. anzurufen, oder mit einer Verschiebung im Kleiderschrank – Graues nach links, Buntes nach rechts. Der Schwung kann auch weiter gehen, mutiger sein. Neues beginnen, vielleicht auch im Großen? Eine neue Ausbildung, eine neue Wohnung, eine neue … Etappe?

Erinnerung
Ich versuche mich zu erinnern. Frühlingsschwung und Neubeginn – wann haben sie in meinem Leben zuletzt zusammengewirkt? Wann habe ich es zuletzt so erlebt, dass ich Lust verspürte und Schwung und Neugier und Kraft – und als Folge einen größeren Neubeginn wagte? Dass ich Abschied nahm, dass ich Großes entschied, weil ich es wollte – frühlingshaft, freiwillig, aus mir heraus?

Echt
Ganz ehrlich: Beim Kramen im Hirn fällt mir dauernd das schwedische Möbelhaus ein. Ich glaube, zu mehr habe ich es nie gebracht mit meiner eigenen Neu-Energie. Neues Bettzeug, neue Tassen, ein neuer Teppich für die Küche. Das „Neu“, dem ich mich gewachsen fühle und das ich selbst in mein Leben hole, hat handlich zu sein. Klein genug für meinen Kofferraum, leicht genug, um es selbst zu tragen. So ein Neu mag ich. Für so ein Neu bin ich immer zu haben, vor allem im Frühling.

Große Schritte
Na gut, es gab auch andere Neuanfänge, die ich selber entschied. Ich habe Ausbildungen begonnen. Habe mir Seminare ausgedacht, fünf Bücher geschrieben und sitze fast täglich vor leeren Seiten, um neu zu beginnen, mit einem Wort, das das nächste ergibt. Als Clown im Krankenhaus habe ich immer neue Türen geöffnet, um in Zimmer zu gehen und dort zu improvisieren. Das alles sind Anfänge, die ich will und wollte. Anfänge, an deren Anfang ein Lächeln stand und ein munteres „Ja“.

Geplant oder nicht
Aber die großen? Die waren doch anders. Da war keine Schwalbe am Himmel. Und kein Ja auf der Zunge. Da war auch kein Lächeln. „Es darf neu beginnen.“ Dieser Satz kann auch anders klingen, wenn das Leben ihn ruft und als Aufruf versteht. Er klingt dann nicht lieblich, nicht sanft. Sondern bebend. Mit Musik unterlegt, die Gänsehaut macht. Oder überhaupt: wie ein Knall, nach dem man nichts hört, schon gar kein Versprechen. Da hört man erst einmal nur die eigene Angst, das eigene Nein, die inneren Stimmen, die nichts von dem wissen wollen, was „neu“ werden will.

Stillstand
Das fühlt sich nicht an wie Frühling. Auch nicht wie Herbst oder Winter, da passt keine Jahreszeit, denn da bleibt die Zeit erst einmal stehen. Wenn etwas Schlimmes passiert. Wenn etwas Schönes sich wandelt. Wenn eine Kurve, die man doch sonst immer gekratzt hat, plötzlich zur Schleuderbahn wird. Wenn wir neu anfangen müssen, obwohl wir es doch gar nicht wollten.

Schweigen
Hatte ich vorhin Schwierigkeiten, meine Erinnerungskiste zu öffnen? Jetzt, wenn es um die unfreiwilligen Anfänge geht, springt der Deckel von selber auf. Hier habe ich ja wirklich schon vieles erlebt. Was zum Beispiel? „Ich sag niiicht“, sagte Enrico, der Clown meiner Kindheit, weil er lieber sang als zu reden. „Ich sag nicht“, sage ich auch, weil ich lieber von anderem rede: von dem, was ich wahrscheinlich nie begonnen hätte und nie geworden wäre, wenn es nicht „rumms“ gemacht hätte.

Jetzt
Ich will von meinem Leben reden, das ich jetzt führe. Ein Leben als Autorin – die zu schreiben begann, weil sie nicht wusste, wie sie reden soll über das, was passiert ist. Ein Leben als Lehrerin in der Erwachsenenbildung – weil es damals, als ich Volksschullehrerin wurde, keine freien Stellen gab. Ein Leben, das vor fünf Jahren durch ein kleines Lebewesen komplett auf den Kopf gestellt wurde. Ein Leben, in dem ich dieses Kopfstand-Lebewesen täglich hundertsiebzehnmal knuddle, inmitten des Chaos, inmitten des „Hui“, inmitten des „Es war schon einmal ruhiger und ich hatte schon einmal mehr Schlaf“.

Erlaubnis
Fühlt sich das, was ich da beschreibe, nach Köstlichkeit an? Ich finde schon. Und der Frühling? Ja, der kommt auch irgendwie vor. Er steht halt – anders als in dem Lied, das meine Tochter so gern mag („Mama, ich kenne jetzt die Jahreszeiten: Frühling, Sommer, März und Winter“) – nicht immer am Anfang. Aber er kam. Er kommt immer wieder. Zwischendurch, mittendrin. Und irgendwann, da setzt er sich durch und bleibt bis zum Sommer. Dann, spätestens dann, können wir lächeln, wenn wir uns sagen: Ja. Es darf neu beginnen, auch von innen heraus.

Autor:

Sonntag Redaktion aus Kärnten | Sonntag

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