Wie machen die das nur?
Die Geheimnisse der gesunden 100-jährigen

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Das Dorf Seulo ist ein kleiner, auf den ersten Blick ziemlich unauffälliger Ort in der Region Barbagia auf Sardinien. Keine besonderen Sehenswürdigkeiten, keine schrillen Events – aber: eine Auffälligkeit, die offensichtlich weltweit ihresgleichen sucht. Seulo ist eines der 14 Bergdörfer im Osten der Insel Sardinien, in denen auffällig viele Hundertjährige leben. Es ist Teil der sogenannten „Blue Zones“ (Blaue Zonen).
Die „Blauen Zonen“ sind Regionen der Welt, von denen der US-Journalist Dan Buettner mit einem breit aufgestellten wissenschaftlichen Team sagen kann, dass Menschen dort viel länger leben als der Durchschnitt. Um dem Geheimnis dieser 100-Jährigen auf die Spur zu kommen, wurden fünf „Blue Zonens“ unter die Lupe genommen: Okinawa (Japan), Sardinien (Italien), die Nicoya-Halbinsel (Costa Rica), Ikaria (Griechenland) und Loma Linda (Kalifornien). In weiterer Folge wurden neun lebensverlängernde Prinzipien herauskristallisiert, die für diese Langlebigkeit veranwortlich sein sollen. Ein gemeinsamer Nenner sozusagen, der unabhängig von der Region ausschlaggebend ist. Die positive Nachricht dabei ist, dass wir ganz schön viel für unsere Gesundheit und damit auch für ein langes Leben selbst tun können. Nur ein Viertel unserer Gene kann da nämlich mitbestimmen. Die herausgefilterten Lebensstilmerkmale kann man auf den je eigenen Kulturkreis und die Nahrungsmittel seiner Region adaptieren. Und genau das hat die Wahlkärntnerin Karin Zausnig getan. Die Ernährungswissenschafterin hat die „Blue Zones“ für sich entdeckt und vermittelt ihr Wissen darüber nun in Vorträgen und Workshops in den Pfarren Kärntens. „Die Empfehlungen, die sich aus den Erkenntnissen der Untersuchungen in den Blue Zones ableiten, sind einfach und klar. Dinge, die jeder für seine Gesundheit tun kann, unabhängig von Alter, Geschlecht, sozialem Status oder Bildung.“ Zausnig sagt das „immer in aller Demut, weil ich davon überzeugt bin, dass Gesundheit letzten Endes auch immer Geschenk ist“.
Das Faszinierende an Dan Buettners Ergebnissen sei die Gesamtheit mehrerer Lebensstilkomponenten. Der Blick auf das Ganze. Es gehe nicht darum, die eine oder andere Wunderpille oder ein bestimmtes Nahrungsergänzungsmittel als Allheilmittel zu finden.

Körperliche Aktivität

Was genau aber haben die Bewohner von „Blue Zones“ in ihrer Lebensweise gemeinsam? Beginnen wir mit der Bewegung. Karin Zausnig spricht in diesem Zusammenhang vom „Mut zur Unbequemlichkeit“, der vielen Zeitgenossen abhanden gekommen ist. „Nahezu alles wird uns von Geräten, Computern und sogar Robotern abgenommen. Dabei sind es gerade die alltäglichen natürlichen Bewegungsabläufe, die uns in Schwung halten. Die 100-jährigen Männer auf Sardinien gehen nicht in die Kraftkammer. Sie gehen zu Fuß – aufs Feld, in den Wald, ins Gasthaus. Und damit wären wir schon beim nächsten Thema. Auch das scheint der Gesundheit förderlich zu sein: Zwei, drei Achtel Rotwein in guter Gesellschaft haben all diese 100-Jährigen ebenfalls gemeinsam. So wie die tägliche „Siesta“. Von der Arbeit ausruhen, entspannen, immer wieder kurze Pausen einlegen – das tut gut. Je nach Stresslevel kann auch eine größere Auszeit erfolgen. Zeitdruck ist so manchem Insulaner unbekannt. Sie praktizieren „Slow down“ und Minimalismus, ohne dass es ihnen vermutlich bewusst ist. Ein weiterer Faktor ist die Sinnfrage. „Wozu stehe ich jeden Morgen auf? Was treibt mich an? Wofür lohnt es sich zu leben?“ Vor allem in ländlichen Regionen sind auch alte Menschen in die Gesellschaft integriert und übernehmen auch noch gerne wichtige Aufgaben, auch innerhalb der Familie, in der sie Geborgenheit und Verwurzelung erfahren. So sehen sie einen Sinn in ihrem Leben und sind nicht einsam. Denn „Einsamkeit macht krank!“, weiß Zausnig.

In guter Gesellschaft

Der soziale Faktor spielt überhaupt eine große Rolle beim Älterwerden. Eine erfüllende Arbeit, ein ehrenamtliches Engagement, sei es in einem Verein oder auch in der Pfarre, stärkt. Hier gibt es auch die Möglichkeit, gemeinsam und generationenübergreifend etwas Positives zu schaffen. Diese sozialen Netzwerke wirken unterstützend, ausgleichend und lebensverlängernd. Karin Zausnig spricht von „sozialem Leim“, und meint damit das soziale Umfeld, das ansteckend wirkt. Der Kontakt mit Menschen mit ähnlichen Werten und Lebensweisen wirkt sich positiv auf Vitalität und Gesundheit aus.

Last but not least zählen Religion und Spiritualität zu den großen Kraftspendern.

Und was sind die Gemeinsamkeiten in Sachen Ernährung? Was essen die Bewohner der „Blue Zones“? „In Japan essen die Frauen viel Tofu und Süßkartoffeln, in Griechenland wird die mediterrane Kost mit viel Olivenöl, Gemüse und Fisch bevorzugt. Es variiert von Region zu Region. Wichtiger als einzelne Lebensmittel ist eine ausgewogene und vorwiegend pflanzliche Ernährung. Man isst sich den Bauch nicht voll. Fleisch kommt nur an Festtagen auf den Tisch, eigentlich so wie es bei uns auch früher einmal war. Auf dem „überregionalen“ Speiseplan stehen jedenfalls Hülsenfrüchte und wenig Zucker. Die Mahlzeiten werden frisch gekocht, die Lebensmittel sind regional und saisonal. Last but not least zählen Religion und Spiritualität zu den großen Kraftspendern. Karin Zausnig nennt es „Gottvertrauen“, das Halt im Leben gibt“.

Autor:

Gerald Heschl aus Kärnten | Sonntag

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