Inge Patsch im Interview
Die Einstellung ist veränderbar
Die Logotherapeutin und Existenzanalytikerin Inge Patsch hielt den Festvortrag bei der Feier zum zehnjährigen Jubiläum der Interessenvertretung der Pflegenden Angehörigen im Bildungshaus Batschuns. Für sie ist das Pflegen eines Angehörigen der Ernstfall der Logotherapie, wo es um den Sinn, aber auch um die Wahrnehmung der eigenen Grenzen geht.
Wolfang Ölz
Immerhin werden in Österreich 80% der Pflegebedürftigen zuhause gepflegt, was für die Industrieländer einen Weltrekord bedeutet. Was empfiehlt die langgediente Tiroler Logotherapeutin Inge Patsch (Jahrgang 1952) pflegenden Angehörigen? Die mit der Lehre Viktor Frankl‘s vertraute Therapeutin antwortet zunächst mit dem Verweis auf den Psalter, nämlich auf Psalm 147, den sie selber in Krisenzeiten oft gebetet hat, wo es heißt: „Der Herr verschafft deinen Grenzen Frieden“.
Gesunde Passivität
Es gehe darum, eigene Grenzen aufzuspüren, seien sie nun durch körperliche oder seelische Belastbarkeit definiert. Alarmzeichen seien, wenn jemand konstant übelgelaunt sei und sich selbst und sein Leben nicht mehr zu mögen scheine. Bei Frankl hat Inge Patsch gelernt, dass zwar absolute Grenzen nicht verändert werden können, sehr wohl aber die persönliche Einstellung zu diesen. Es gehe nicht darum noch mehr zu tun, sondern um die Erkenntnis, dass auch weniger genug sein kann. Auch Pausen machen ist wichtig. Zehn Minuten am Tag, an denen jemand für die Mitwelt nicht erreichbar ist, können entscheidend für die persönliche Resilienz sein. Eine gesunde Passivität ist etwas Gutes, ohne Passivität werde man erbarmungslos und unmenschlich.
Gegen Autonomiewahn
Vor allem die Zuversicht, nicht alles aus sich selbst schaffen zu müssen, helfe weiter. Entgegen dem Autonomiewahn der Gegenwart, sei die Erkenntnis wichtig, dass wir als Menschen angewiesen auf bzw. abhängig von anderen sind. Gerade deswegen könne das Vertrauen ins Leben Berge versetzen. Den Begriff „Gott“ verwendet Inge Patsch nicht zwingend. Gerade bei jenen jungen Menschen, die bei ihr eine Ausbildung in Logotherapie beginnen, verwende sie stattdessen Wörter wie „Leben“. Das Leben fragt den Menschen an. Da geht es nicht um Regeln und Gebote, sondern um persönliche Begegnungen.
Vertrauen mit 104 Jahren
Dankbar erinnert sich Inge Patsch an ihre eigene Großmutter, die 104 Jahre alt wurde und bis zuletzt geistig frisch geblieben sei und sich eine Neugierde auf die Welt bewahrt habe. Ihre Großmutter, die von 1898 bis 2002 lebte, habe zwei Weltkriege erlebt, aber diese nicht nur überlebt, sondern sie sei bis zuletzt unerschütterlich vertrauend gewesen.
Bericht: Zehn Jahre Engagement
Die Interessenvertretung der Pflegenden Angehörigen in Vorarlberg feierte kürzlich im Beisein von Landesrätin Martina Rüscher und Landtagsvizepräsidentin Sandra Schoch ihr zehnjähriges Jubiläum. Christian Kopf vom Bildungshaus Batschuns würdigte den wichtigen Dienst der Interessenvertretung. Obfrau Angelika Hämmerle skizzierte in einem sehr sachorientierten Referat die Entwicklung der Interessenvertretung und zeigte, wie wertvoll die Arbeit der Vertretung für die Betroffenen im letzten Jahrzehnt gewesen ist. Frau Hämmerle beschrieb die große Not der Anrufer/innen des Telefondienstes, die sich in ihrer Verzweiflung oft als Bittsteller/innen der staatlichen Einrichtungen fühlen. Wenn zum Beispiel zuhause nur die Pflegestufe 3 oder 4 genehmigt werde und beim Übertritt in ein Pflegeheim sofort die Pflegestufe 6 gewährt wird, dann spricht das für sich.
Kontakt:
Interessenvertretung für pflegende und betreuende Angehörige,
T 0699 18316406, E pflegedaheim@outlook.com, www.pflegedaheim.info
(aus dem Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 38 vom 23. September 2021)
Autor:KirchenBlatt Redaktion aus Vorarlberg | KirchenBlatt |
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