Ausstellung „geburtskultur. vom gebären und geboren werden“ im Frauenmuseum Hittisau
Von App bis Zange: Alles ums Gebären
In der neuen Ausstellung im Frauenmuseum Hittisau dreht sich alles um das Thema Geburt - angefangen von Geschichtlichem, über Rituale und Bräuche bis hin zu digitalen Kinderzimmern. Väter kommen zu Wort und auch der Umgang der Gesellschaft mit Schwangeren, Gebärenden sowie frisch gebackenen Müttern wird thematisiert. Unaufdringlich, leise und in vielfältiger Weise.
Elisabeth Willi
Mehr als ein Meter hohe Plakate stehen beim Fußweg, der von der Mittelschule Hittisau zum Frauenmuseum hinüberführt. Darauf abgebildet ist jeweils eine Frau mit ihrem Säugling im Arm. Stolz und selbstbewusst stehen die Mütter da - auch wenn ihre Schwangerschaftsstreifen oder Bäuche vor der Rückbildung zu sehen sind. Die Frauen ließen sich im Rahmen der Kampagne „Body Proud Moms“ („Mütter, die stolz auf ihre Körper sind“) fotografieren, die darauf aufmerksam machen möchte: Körperliche Spuren nach einer Geburt sind normal - das neugeborene Kind zählt viel mehr als das gängige Schönheitsideal. Die erste Station der Ausstellung macht schon mal neugierig auf mehr.
Jubiläum.
Vor 20 Jahren war die Geburtsstunde des Frauenmuseums in Hittisau. Dieses Jubiläum feiert das einzige Frauenmuseum Österreichs mit der kürzlich eröffneten Ausstellung „geburtskultur. vom gebären und geboren werden“. Geburt - ein Thema, das uns alle betrifft und das in Hittisau sehr vielschichtig dargestellt wird.
Die erste Ecke erzählt von der Anatomie der Frau, und es werden Fragen zur Frauengesundheit behandelt. Es geht weiter zur Riechstation, wo Heilkräuter in Gläsern aufgestellt sind. Hier erfahren Besucher/innen, welche Kräuter bei Schwangerschaft und Geburt wohltun, Rezepte zum Mitnehmen sind inklusive. Ganz in der Nähe ist die Väter-ecke, bei der Männer eingeladen sind, ihre Geschichten aufzuschreiben. Schräg gegenüber hängt eine Vorarlberg-Karte. Sie zeigt die Dichte der Entbindungsheime früher in Vorarlberg. 27 waren es und mit dieser hohen Anzahl nahm das Ländle eine Sonderstellung innerhalb Österreichs ein. „Heute hingegen sind es nur noch fünf Orte, an denen Frauen entbinden können“, sagt Direktorin Stefania Pitscheider Soraperra und zählt auf: „In den Krankenhäusern in Bregenz, Dornbirn, Feldkirch und Bludenz. Und dann gibt es eine einzige Hebamme, die Hausgeburten durchführt - das ist der fünfte Ort.“
Von gestern bis heute.
Die Ausstellung ist in sieben Stationen gegliedert. Sie beleuchtet den Umgang einer Gesellschaft mit dem Start ins Leben sowie die Rahmenbedingungen, in die eine Geburt eingebettet ist. Sie spannt den Bogen von der Geschichte des Gebärens über weltweite Geburtsrituale bis hin zu Reproduktionstechnologien und aktuellen Debatten. Sogar ein erst wenige Wochen altes Thema hat seinen Platz gefunden: Der Umstand, dass neugeborene Babys von Leihmüttern in der Ukraine wegen der Corona-Krise nicht abgeholt werden konnten. Es kommen bei „geburtskultur. vom gebären und geboren werden“ aber auch Zeitzeug/innen zu Wort - per Video schildern sie ihre persönlichen Erfahrungen als Mütter und Väter. Kunstwerke zieren die Wände des Museums, zeigen zeitgenössische Positionen zu dem Thema, vertiefen und erweitern es. „Sie umhüllen den Ausstellungsraum wie einen Mantel“, erklärt Direktorin Stefania Pitscheider Soraperra.
Alt und neu.
In der gesamten Ausstellung verteilt finden sich alte Exponate: eine Skulptur einer Geburtsszene aus Peru von 1100 n. Chr. etwa, Taufspritzen für die Nottaufe im Mutterleib, medizinische Hilfsmittel wie Geburtszangen oder Votivbilder zum Thema Leben und Tod. Aber auch das ganz Neue wird gezeigt, z.B. im digitalen Kinderzimmer: Da gibt es Apps, die das Weinen eines Babys übersetzen und mitteilen, ob es Hunger oder Schmerzen hat, eine andere App protokolliert Gewicht und Stimmungsschwankungen der Schwangeren und zeigt, wie das Baby im Bauch aussieht. Bewertet wird das Gezeigte nicht - sowohl bei dieser Station nicht als auch bei den anderen. Es soll dazu dienen, sich zu informieren und sich selbst Gedanken zu machen.
Zeitgemäßes Geburtshaus.
Direkt nach dem Stiegenaufgang zum Museumsraum - es kann der Anfang oder das Ende der Ausstellung sein - steht das Modell eines zeitgemäßen Geburtshauses. Entworfen wurde es von Anka Dür, einer Architektin und angehenden Hebamme, die auch Kuratorin der Ausstellung sowie Gründungsmitglied der IG Geburtskultur a - z ist. „99 Prozent der Frauen in Vorarlberg entbinden im Krankenhaus - wir möchten mit dem Geburtshaus eine zusätzliche Wahlmöglichkeit schaffen. Dort soll eine Eins-zu-eins-Betreuung möglich sein“, sagt sie. Wichtig ist auch der Einfluss des Raumes auf die Geburt: „Licht, Temperatur, Geruch und Atmosphäre spielen eine Rolle“, erklärt Anka Dür. Was genau damit gemeint ist, kann auf der Wiese hinter dem Frauenmuseum selbst wahrgenommen werden: Dort steht „Der Raum für Geburt und Sinne“ - ein geschindelter, begehbarer Lehm-
körper, der den Einfluss von Raum und Umgebung auf die Geburt und Gesundheit erfahrbar macht.
Resümee.
Dieser Raum mit seiner schönen Aussicht auf die Berge und Hügel des Vorderwaldes lässt gut noch einmal innehalten und einen innerlichen Blick auf das Gesehene und Erlebte werfen: „geburtskultur. vom gebären und geboren werden“ ist eine Ausstellung, die alle Sinne anspricht, die viele Themen innerhalb des Themas Geburt aufwirft und die so manch Überraschendes, aber auch nachdenklich Machendes aufzeigt. «
Ausstellung
„geburtskultur. vom gebären und geboren werden“. Die Ausstellung ist in Kooperation mit der IG Geburtskultur a - z entstanden. Sie ist bis 18. April 2021 zu sehen.
Sommeröffnungszeiten des Frauenmuseums Hittisau: Di bis So, 10 bis 17 Uhr. Anfragen für Führungen unter T 0664 88431964 oder E fuehrungen@frauenmuseum.at
Kuratorinnen: Stefania Pitscheider Soraperra (Museumsdirektorin), Anka Dür und Brigitta Soraperra (IG Geburtskultur a - z)
www.frauenmuseum.at
Autor:KirchenBlatt Redaktion aus Vorarlberg | KirchenBlatt |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.