Serie: "Mein Lieblingskunstwerk"
Mitleiden
Der Kapuzinerbruder Karl-Martin Gort beschreibt in der KirchenBlatt-Serie „Mein Lieblingskunstwerk“ die barocke „Beweinung Christi“ im Betchor im Kapuzinerkloster in Feldkirch. Er ist fasziniert von der kontemplativen, mitleidenden Haltung des heiligen Franziskus, die der sonstigen Dynamik des Bildes entgegensteht.
Bruder Karl-Martin Gort, Wolfgang Ölz
Es handelt sich um das ursprüngliche Bild des Hochaltars in der Kapuzinerkirche (1905): „Beweinung Christi“. Das Bild wurde vermutlich von Caracci Annibale aus Bologna (1560-1609) geschaffen. Es soll über den hl. Karl Borromäus an die Grafen von Hohenems gekommen sein. Die Hohemser haben es dann den Kapuzinern gegeben. 1892 kam dann im Zuge einer Restaurierung das Bild „Praesentatio Mariae“ von Hans Rabensteiner an dessen Stelle, das heute durch einen Vorhang verdeckt wird. Das ursprüngliche Bild, die „Beweinung Christi“, wechselte in den Betchor.
Anbetender Betrachter
Der hl. Franziskus stand bekanntlich in besonderer Beziehung zum Leiden Jesu. Viele Darstellungen in der Kunst erinnern an dieses besondere Kennzeichen des Heiligen. Ja es ist geradezu sein Erkennungszeichen geworden: Franziskus, der Jesus ganz und gar ähnlich werden wollte, hat dies gerade in seinem Leiden erfahren. So wird er mit den Wundmalen Jesu dargestellt. Unser Bild der Kreuzabnahme stellt in seiner Art eine Besonderheit dar: Der hl. Franziskus ist dargestellt im Kreis jener Leute, die Jesus vom Kreuz abgenommen haben, um ihn dann zu bestatten. Aber er ist hier nicht Akteur, er ist anbetender Betrachter. Da sind die Frauen, die unter dem Kreuz gestanden sind, da ist Josef von Arimathäa, der für die Bestattung gesorgt hatte und im Hintergrund sind weitere Personen zu sehen, Zuschauer, Betroffene, die diskutieren…
Verständnisloser Blick
Ganz vorne links im Bild fällt die junge Frau auf: Sie hat alles vorbereitet für die Salbung des Leichnams und wartet ab. Bemerkenswert ist ihr Blick, der aus dem Bild heraus auf den Betrachter gerichtet ist: voller Trauer, verständnislos, vorwurfsvoll, ja verzweifelt über das, was hier geschehen ist.
Beim Leichnam kniend
Auf der rechten Seite nun Franziskus, er ist mit dabei! Er spielt im aktuellen Geschehen aber überhaupt keine Rolle, ist auch nicht einmal Zuschauer. Er kniet neben dem Leichnam Jesu und ist im betrachtenden Gebet versunken, die Hände gefaltet, die Augen gesenkt. Neben all dem geschäftigen Treiben rundum - Kreuzabnahme, Berühren der Hand des Toten, Diskussion im Hintergrund, Vorbereitung zur Salbung - ist Franziskus gleichsam das ruhende Gegenüber zum leblosen Körper Jesu. Er tut eigentlich nichts, er ist ganz in sich versunken in das, was hier dramatisch geschieht. Beinahe so, als würde er mit seinem geliebten Herrn gestorben sein… Diese Beweinung Christi ist für mich ein sehr lieb gewordenes Kunstwerk, Die Vertiefung in die Leiden, die Christus für uns auf sich genommen hat, ist gemäß unserem Ordensgründer - dem heiligen Franziskus - ein zentraler Punkt unserer Spiritualität. Die bedürftigen Menschen, die Leidenden, sind es, die unsere besondere Aufmerksamkeit verdienen. Dazu bieten wir gerne Hilfe im Gebetsleben, im Seraphischen Liebeswerk (SLW) für Kinder in Not und im täglichen Dienst an der Klosterpforte des Kapuzinerklosters an.
Zur Person
Bruder Karl-Martin Gort, geboren 1942 in Göfis, 1963 Eintritt ins Noviziat der Kapuziner in Imst, Profess und Priesterweihe 1970. Nach Kaplansjahren in Salzburg elf Jahre Provinz-Sekretär und -Ökonom. 1987 bis 1995 Guardian in Salzburg, 1995 bis 2001 Provinzial der Nordtiroler Provinz. 2001 bis 2010 Guardian im Kapuzinerkloster in Feldkirch. In dieser Zeit leitet Bruder Karl-Martin Gort die Generalsanierung des Klosters in Feldkirch. Nach sieben Jahren als Guardian und Kustos der Kaisergruft in Wien kehrt er nach Feldkirch zurück, wo er die Gemeinschaft seit 2017 wieder als Guardian begleitet. Seine Zielsetzung ist ein „Leben nach dem Evangelium“ wie Franziskus, in brüderlicher Gemeinschaft, in einfacher Lebensweise, mit Auftrag zur „Verkündigung“ durch Leben und Predigt.
Das Gemälde hängt im Betchor hinter der öffentlichen Kirche des Kapuzinerklosters in Feldkirch (Bahnhofstraße 4). Das Bild kann auf Anfrage betrachtet werden (T 05522 72246, E feldkirch@kapuziner.org)
(Aus dem Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 1 vom 7. Jänner 2021)
Autor:KirchenBlatt Redaktion aus Vorarlberg | KirchenBlatt |
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