Auf ein Wort
Die geballte Faust
Bei der Taufe meines Sohnes vor vielen Jahren kam in der Predigt folgende Geschichte vor: Kann man die geballte Faust eines Menschen öffnen, wenn dieser sie partout nicht öffnen will? Die geballte Faust ist das Sinnbild eines „homo incurvatus in seipsum“ bzw. eines „cor incurvatum in seipsum“, eines „in sich gekrümmten Menschen bzw. Herzen“. Alle Versuche, die Faust mit Gewalt zu öffnen, scheitern. Man kann die Finger höchstens verletzen oder brechen, aber nicht öffnen. Auch Streicheln und Zureden führen nicht zum Erfolg. Die einzige Möglichkeit besteht darin, die eigene Hand unter die geballte Faust zu legen und diese in der eigenen Hand zu halten, ohne irgendetwas weiteres zu tun.
Nach etwa zwanzig Minuten öffnet sich die Faust - selbst dann, wenn der Betroffene sich mit aller Kraft bemüht, seine Faust geschlossen zu halten. Weil die Nerven erschlaffen und weil der Zustand der geballten Faust kein „natürlicher“ Zustand ist ...
Am Freitag ist das Fest „Herz Jesu“. Das zugeneigte Herz ist es, das einen Egoisten und „Ich, ich!“-Menschen aus seiner Selbstverkrümmung lösen kann. Nie können wir tiefer fallen als in die Hände Gottes. Menschen und Herzen öffnen sich dort, wo geballten Fäusten offene und tragende Hände begegnen.
(aus dem KirchenBlatt Nr. 25 vom 18. Juni 2020)
Autor:Dietmar Steinmair aus Vorarlberg | KirchenBlatt | |
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