Lebensstationen Carl Lamperts
Mitleiden und mitfiebern
Spätestens seit seiner Seligsprechung 2011 ist Carl Lampert den meisten Menschen ein Begriff. Warum er auch heute noch wichtig ist und was die Leser/innen der neuen Serie „Lebensstationen“ erwartet, erzählt die Geschäftsführerin des Carl Lampert Forums, Elisabeth Heidinger.
Das Interview führte Simone Rinner
Seit 2019 sind Sie die neue Geschäftsführerin des Carl Lampert Forums. Wie kam es dazu?
Heidinger: Wiederholt bin ich mit Provikar Carl Lampert in Berührung gekommen, weswegen ich mich intensiver mit seinem Leben auseinandersetzte. Sein Bruder Julius beschrieb seinen Besuch von Carl Lampert in Torgau und wie er dessen arg demolierte Brille und Uhr entgegennahm und auf die Frage, wie denn das passieren könne, habe Carl ihn nur angeschaut und in diesem Blick lag alles offenbar. Diese Szene hallt immer wieder in mir nach und berührt mich stets zutiefst. Carl Lamperts Unverrückbarkeit, sein WIDERSTEHEN; welches er tagtäglich aufs Neue zu Wege bringen musste, erscheinen in diesem Kontext unvorstellbar. Als sich die Gelegenheit bot, im Carl Lampert Forum mitzuarbeiten, habe ich die Chance ergriffen und bin dankbar, dass ich dazu beitragen kann, die Erinnerung wachzuhalten, Menschen einen Zugang zu ihm zu verschaffen und Fragen zu thematisieren, die aus seinem Widerstand erwachsen.
Sie haben ja eher in einer "turbulenten" Zeit gestartet. Wie war das für Sie?
Heidinger: Wie schon gesagt, bin ich dankbar, die Botschaft Carl Lamperts mitverbreiten zu können, allem voran in der Jugendarbeit. Dabei bin ich in markante Fußstapfen der früheren Projektleiterin Karin Bitschnau und Geschäftsführer Bernhard Loss getreten. Meine 1. Gedenkwoche mit über 2.000 Besuchern machte uns selbst sprachlos, die Sonderausstellung sorgte für einen täglichen Besucherstrom ins Carl Lampert Archiv. Leider wurde diese jäh durch Corona im März unterbrochen. Wie ein Themenmotto eigenständig wird, habe ich dann mit der heurigen Carl Lampert Woche erfahren. Trotz sorgfältiger Planung, da man mit einer Verschärfung im Herbst zu rechnen hatte, waren die Grenzen schnell erreicht. Kurz vor Beginn waren wir noch überzeugt, dass Ausstellungen in einer derart großen Kirche im November möglich sind. Wir planen diese Veranstaltungen im Frühjahr nachzuholen, denn was einem Corona gelehrt hat, ist, wie rasch Grenzen überschritten werden und wie wichtiger denn je solche Institutionen sind.
Ein Jahr lang wird Carl Lampert die KirchenBlatt Leser/innen in Form der Serie „Lebensstationen“, die mit dieser Nummer startet, begleiten. Wie kam es dazu?
Heidinger: 2021 wird im Zeichen der Seligsprechung vor zehn Jahren stehen. Wir werfen dabei insbesondere einen Blick auf Carl Lampert als Person, wie er sich zeit seines Lebens mit seiner Familie, mit seinen Mitbrüdern und Mitschwestern, mit Gott verbunden fühlte und sich bis in alle Konsequenz für sie einsetzte. Durch Carl Lampert sind wir ebenfalls im Gedenken an ihn verbunden mit seinem Glauben, seinen Werten, seiner christlichen Haltung und können aus dieser Verbindung vielerlei schöpfen.
Warum sollte man sich heute auch heute noch mit Carl Lampert befassen?
Heidinger: Wir leben in einer Phase, in der ein Wort wie „Gutmensch“ von einer immer größer werdenden Gruppe als Schimpfwort gemeint wird, in einer Zeit, in der politische Wahlen zu gesellschaftlichen Spaltungen führen, manchmal ein Flüchtling nicht mehr als Mensch gesehen wird und in einem Zeitraum, in der Coronasheriffs maßregeln möchten. Allen gemeinsam ist, dass das Verbindende mit dem anderen nicht mehr hergestellt, sondern hinter harten, künstlich gezogenen Grenzlinien versteckt wird. Man versteht nicht die Motive des Gegenüber, sondern grenzt sich ab. In einem Menschen, der Gutmensch als Schimpfwort austeilt, steckt vielleicht die Angst, sozial abzusteigen, hinter einem Corona-Sheriff, jemanden, der Angst hat, sich und andere zu infizieren.
Das Grundübel ist es, um es mit Worten von Hobbes auszudrücken, dass jeder Mensch sich gleichsam aus der Nähe, den anderen aber aus der Ferne sieht. Deswegen werden die eigenen Entscheidungen relativiert, da die Hintergründe bekannt sind; bei den anderen kennt man diese nicht, weswegen man sie kritischer sieht. Carl Lampert hat niemals solche Grenzen gezogen, vielmehr hat er als Richter des Kirchengerichts Verständnis gezeigt, er hat immer wieder gegen Repressalien lautstark protestiert und Verantwortung übernommen und er hat zum Schluss die letzte Grenze niedergerissen und sogar in der Todesstunde seinen Henkern verziehen.
Was sagt er uns in Zeiten von Aluhüten und Fake-News-Schreiern?
Heidinger: Carl Lampert war selbst Opfer von „Fake-News“ und dem Versuch, die Wahrheit auszusprechen. Das erste Mal kam er in das Konzentrationslager, als er in einer Todesanzeige für Otto Neururer mittels bewusster Wortwahl auf die wahrhaftigen Todesumstände angespielt hat. Sein Todesurteil erhielt er dann durch gezielte Denunziation und falsche Anschuldigungen. Fake-News sind gefährlich, die Kontrolle von Fake-News mag ebenso gefährlich sein, denn wer kontrolliert die Kontrolle? Medienmächtigkeit bedeutet Medienmündigkeit und diese müssen bzw. sollen wir uns erwerben. Carl Lampert hat im Falle Neururers entschieden, was zu sagen ist, im Falle seines Todesurteils war er ein Spielball von falschen Nachrichten.
Was erwartet uns konkret?
Heidinger: Grundzüge seines Lebens kennen vermutlich die meisten Leser/innen. Wir möchten in diesem Jahr seinen Lebensstationen nachspüren. Im Kalendarium ist jeweils ein Schlüsselerlebnis zu finden, in der der Mensch hinter dem Seligen spürbarer wird. Wir leiden und fiebern mit und möchten am liebsten direkt Trost spenden. Dabei können wir aber mitreflektieren. Die Zitate von Carl Lampert wirken, sie erschüttern, beeindrucken von dem Durchhaltewillen und der Unnachgiebigkeit, ermahnen uns zu Dankbarkeit, in Freiheit leben zu dürfen, gemahnen zu Wachsamkeit, um Strömungen gegen Demokratie kritisch zu begegnen.
(Aus dem Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 49 vom 3. Dezember 2020)
Autor:KirchenBlatt Redaktion aus Vorarlberg | KirchenBlatt |
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