Interview mit Nuntius Erzbischof Pedro López Quintana
In den Dienst gerufen
Seit dem 4. März 2019 ist Erzbischof Dr. Pedro López Quintana der neue Nuntius in Österreich. Als solcher ist er ein wichtiges Bindeglied zwischen der lokalen Kirche und dem Vatikan. Das Vorarlberger KirchenBlatt sprach mit dem 68-Jährigen über Berufung, Herausforderung und Strömungen in der Kirche.
Jakob Lorenzi, aus dem Englischen übersetzt
Dass sich ein Priester nach der Weihe für den diplomatischen Dienst entscheidet, ist ungewöhnlich. Was hat Sie dazu bewegt?
Erzbischof Quintana: Ich habe mir diesen Weg nicht ausgesucht. Man könnte sagen, dass ich dafür ausgesucht worden bin. Als mich mein Bischof nach Rom sandte, war ich noch Seminarist und ich freute mich auf meine Rückkehr in meine Diözese. Eines Tages sagte der Präsident der Spanischen Universität zu mir, dass der Präsident der Päpstlichen Akademie mit mir reden wolle. Dieser lud mich in die Diplomatie ein. Von Anfang an war es mein Ziel, Jesus zu folgen und zu dienen. Ich dachte mir, dass dies der Ruf Gottes durch die Kirche sein müsse, und so habe ich mich dann für den diplomatischen Dienst entschieden. Nicht weil ich wollte, aber weil ich dazu gerufen wurde.
Wie schaut der Tag eines Nuntius aus? Bleibt da viel Platz für Spiritualität?
Quintana: Die Menschen denken manchmal, dass wir als Diplomaten des heiligen Stuhls Priester wie alle anderen sind. Wir werden zu dieser Aufgabe aber gerufen. Wenn ich nein gesagt hätte, hätte ein anderer statt mir diese Aufgabe wahrnehmen müssen. Für den Großteil der Diplomaten ist dieser Dienst ein großes Opfer, weil sie ihr normales Leben als Priester aufgeben müssen. Als Diplomat für den heiligen Stuhl müssen wir zwei Aspekte erfüllen. Wir versuchen, den lokalen Kirchen so gut wie möglich zu helfen. Und wir sind ein Instrument der Kommunikation zwischen der lokalen Kirche und Rom. Wir sind ein Instrument des Heiligen Vaters und helfen diesem, die lokalen Kirchen besser kennenzulernen. Der wichtigste Aspekt ist aber, ein Instrument des Friedens zu sein - zwischen den lokalen Kirchen und dem heiligen Vater.
Als Gesandter des Papstes ist man auch dessen wichtigste Informationsquelle. Wie halten Sie Kontakt zu den verschiedenen Diözesen?
Quintana: Wenn wir neu in ein Land kommen, versuchen wir, Beziehungen mit der Gesellschaft aufzubauen, um das Land besser kennenzulernen. Manchmal funktioniert das von Anfang an ganz gut und manchmal nicht, weil manche Menschen nicht sehr kooperationsbereit sind. Aber wir tun unser Bestes, um ein Land besser und besser kennenzulernen. Wichtig ist dabei, dass wir für die Realitäten des Landes offen sind, um dadurch so viele Meinungen wie möglich und so akkurate Informationen wie möglich an den heiligen Vater weiterzugeben. Wenn wir zum Beispiel Informationen für einen neuen Bischof einholen, fragen wir 50 bis 60 verschiedene Menschen - vom Bischof und Priestern bis hin zu Laien. Wichtig ist dabei aber, dass die Namen, die in die engere Wahl kommen, geheim sind. Damit schützen wir jene, die dann nicht Bischof werden. Würden die Menschen die Namen wissen, würden sie sich fragen, wieso nicht genau diese oder jene Person ausgewählt wurde. Wir bekommen auch viele Briefe von Menschen. In diesen regen sie sich entweder über Probleme oder Umstände auf oder schlagen uns Sachen vor. Das ist ebenso ein guter Weg, um die Gedanken der Menschen im Land zu erfahren.
Hat sich die Arbeit durch Corona verändert?
Quintana: Corona war eine sehr traurige Zeit für uns, weil wir alle Aktivitäten stoppen mussten. Ich kam kurz davor in Österreich an und startete gerade damit, herumzureisen und das Land kennenzulernen. Uns blieb dann eine Zeit lang nur die Möglichkeit, den verschiedenen Medien im Land zu folgen, um mehr über das zu erfahren, was in den Regionen passiert, wie das Leben in den Diözesen ist. Das ist auch eine gute Informationsquelle, aber um ein Land kennenzulernen, muss man es auch sehen, hören und riechen können.
Wie eng ist der Kontakt eines Nuntius zum Papst?
Quintana: Nähe ist relativ, aber fundamental wichtig für unsere Mission. Wenn wir den heiligen Vater repräsentieren, müssen wir ihn sehr gut kennen beziehungsweise seine Art, Dinge zu tun. Dafür haben wir einmal im Jahr die Möglichkeit zu einer persönlichen Audienz mit dem heiligen Vater, wo wir ihm Fragen stellen können, er sich im Gegenzug aber auch über unsere Länder informieren will. Alle zwei Jahre trifft er auch alle Nuntien gemeinsam. Wir sind mehr als 90 Nuntien auf der ganzen Welt.
Aus der Sicht des Vatikans, welche großen Aufgaben sehen Sie für die Kirche in Österreich?
Quintana: Das wissen die verantwortlichen Personen normalerweise besser als ich. Als ich 2019 in Österreich ankam, war die Nachbesetzung in der Diözese Gurk sehr aktuell. Mit dem Transfer von Bischof Schwarz wurde auch eine apostolische Visitation eingesetzt. Bischof Benno war ein Mitglied der Kommission. Die Nachbesetzung war dann meine erste große Aufgabe. Dann gab und gibt es in vielen Diözesen Prozesse zur Neugestaltung des pastoralen Dienstes, welche ich mit großem Interesse verfolge.
Sie waren bereits in Indien und Nepal, Kanada, Litauen, Estland und Lettland. Gibt es hier Unterschiede zu Österreich?
Quintana: Das größte Problem für die Kirche in Österreichs ist aktuell die Säkularisierung. Dabei sind es nicht jene Menschen, die der Kirche offiziell den Rücken zukehren, diese lassen sich noch einschätzen. Vielmehr sind es jene Menschen, die zwar offiziell Katholik/innen sind, ihren Glauben aber nicht mehr praktizieren. Bereits vor Corona waren wenige Menschen in den Kirchen, das wurde durch die Pandemie noch verstärkt. Eine große Aufgabe der Kirche, nicht nur in Österreich, wird deshalb sein, diesen Glauben wieder zurückzugewinnen. Denn das ist ein gängiges Problem im Westen. Die Menschen genießen ihr Leben nur und stellen sich nicht mehr die Frage nach dem Sinn desselben.
Als Gesandter des Papstes, als Gesandter Roms sieht man sich sicherlich oft in einem Wechselspiel verschiedener Meinungen. Wie schaffen Sie hier den Ausgleich?
Quintana: Das Problem ist heutzutage die Politisierung der Kirche. Wir haben viele verschiedene Gruppen im Land mit verschiedenen Meinungen. Das ist auch schön so, in der Kirche gibt es auch Meinungsfreiheit. Problematisch wird es aber dann, wenn gewisse Gruppen polarisieren und somit spalten wollen. Denn als Kirche wollen wir als Einheit arbeiten.
(aus dem Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 34 vom 26. August 2021)
Autor:KirchenBlatt Redaktion aus Vorarlberg | KirchenBlatt |
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