Interview mit den Bestatterinnen Sibylle Geiger und Irene Wohlgenannt
Die helfenden Hände
Sibylle Geiger und Irene Wohlgenannt arbeiten seit sechs bzw. sieben Jahren als Bestatterinnen bei den Bestattern Stuchly (Thüringen) und Abel-Burtscher (Bregenz, Götzis). Im Interview erzählen sie von ihren Aufgaben, den Umgang mit Trauer und Corona.
Jakob Lorenzi
Wie kam es dazu, dass Sie sich für dieses Berufsfeld entschieden haben?
Sibylle Geiger: Ich wohne in der Nähe der Bestattung Stuchly und hatte mir schon früher gedacht, dass Bestatterin eine sehr interessante Berufung ist. Als ich mich vor sieben Jahren beruflich neu orientieren wollte, habe ich diesen Schritt gewagt.
Irene Wohlgenannt: Ich arbeitete zuvor in einem Altenheim, ich habe dort viele Sterbende begleitet. Mir war es wichtig, dass die Menschen gut versorgt sind, auch nach dem Tod. So half ich oft den Bestattern bis letztendlich der Wunsch aufkam, selbst als Bestatterin tätig zu werden. Damals gab es noch nicht viele Frauen in diesem Metier, die Menschen sind aber sehr froh um uns.
Geiger: Stimmt, die Angehörigen sind oft erleichtert, wenn sie mit einer Frau reden können. Das trifft auch auf Männer zu, die hier über Gefühle sprechen können und diesen auch einfach einmal freien Lauf lassen können.
Was ist euer Aufgabengebiet?
Wohlgenannt: Wir begleiten eine Bestattung von Anfang bis zum Ende. Ein wichtiger Teil ist hier, die Menschen in ihrer Trauer abzufangen. Wir bekommen oft das ganze Paket aus Wut, Zorn und Schmerz ab. Das ist auch gut so, die Menschen dürfen Gefühle haben. Und wir wissen, dass wir das nicht persönlich nehmen dürfen. Oft dürfen wir zudem bei Beerdigungen für Konfessionslose die Reden halten. Im Regelfall hält aber auch hier der Pfarrer die Beerdigung.
Geiger: Das Aufgabenfeld ist rückblickend aber größer geworden. Unsere Tätigkeit fängt bei dem Telefonat mit den Trauernden an, wir sind auch 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche erreichbar. Selbst wenn man einmal frei hat, können Anrufe hereinkommen - einmal Bestatter, immer Bestatter.
Wie geht ihr denn persönlich mit den Themen Trauer und Tod um?
Geiger: Am Anfang nimmt man noch viel mit nach Hause. Mit den Jahren kommt aber auch die Erfahrung und man lernt, sich abzugrenzen. Bei manchen Fällen wie dem Tod von Kindern oder Suizid geht das aber nicht. Das nimmt man immer mit nach Hause.
Wohlgenannt: Um die Trauer zu verarbeiten, redet man am besten mit einer Kollegin oder einem Bestatter. Wenn es raus ist, kann man auch besser abschalten. Ein Bestatter hat mir auf einer Fortbildung in Ostösterreich gesagt: "Wenn du einmal von den Toten träumst, dann musst du aufhören. Das frisst dich sonst auf." Daran muss ich oft denken. Wir, Sibylle und ich, sind aber beide "gestandene" Frauen, stehen mit beiden Beinen im Leben und sind mit einer guten Portion Humor ausgestattet.
Wie viele Bestattungen habt ihr bisher schon begleitet?
Geiger: Das ist in der Summe schwer zu beziffern. Ich mache aber durchschnittlich 20 Bestattungen im Jahr. Da wir ein Team sind, ist nicht jeder bei jeder Bestattung vom ersten Telefonat bis zur Beerdigung vor Ort. Das Bestattungsinstitut selbst begleitet um die 100 Beerdigungen im Jahr.
Gab es hier auch außergewöhnliche Bestattungen?
Wohlgenannt: Ich hatte einmal eine Trauerfeier, wo der Verstorbene - er war Rocker und Biker - sich gewünscht hatte, man möge doch "Highway to hell" von AC/DC spielen. Als das Lied dann über den Friedhof dröhnte, blickten die Gäste zuerst verwundert. Es war aber eine sehr stimmige Bestattung.
Geiger: Auch die Bestattung eines Oldtimer-Traktorfans durften wir einmal ausrichten. Zum Schluss "standen" dann alle Oldtimer Spalier und als wir mit der Urne vorbeischritten, starteten alle die Motoren und hupten. Das war sehr bewegend.
Welche Veränderungen - auch durch Corona - gibt es bei Bestattungen?
Geiger: Die Menschen trauern öfter im kleinen Familienkreis. Durch Corona gibt es so gut wie keine Totenwachen mehr.
Wohlgenannt: Es gibt auch mehr Menschen, die keinen geistlichen Beistand wollen. Bei der Größe einer Beerdigung hängt es stark davon ab, ob der oder die Verstorbene im Dorf oder in der Stadt gelebt hat. Was Corona betrifft, so ist es sehr deprimierend für uns und die Angehörigen, wenn nur noch fünf Menschen einem Begräbnis beiwohnen dürfen.
(Aus dem Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 44 vom 29. Oktober 2020)
Autor:KirchenBlatt Redaktion aus Vorarlberg | KirchenBlatt |
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