Seminartag zum bedingungslosen Grundeinkommen
Kirche soll prophetisch sein!
Wolfgang Kessler erklärt wirtschaftliche Zusammenhänge für Laien sehr gut verständlich, ohne die Komplexität zu vernachlässigen. Gemeinsam mit dem Werk der Frohbotschaft bietet er am 6. August einen Seminartag an, wo es um die Utopie des bedingungslosen Grundeinkommens gehen wird.
Wolfgang Ölz
Ist das bedingungslose Grundeinkommen nicht ein alter Hut?
Wolfgang Kessler: Keinesfalls. In allen Industrieländern wächst die Kluft zwischen Arm und Reich. Die Digitalisierung wird die Arbeitswelt flexibler machen, es wird mehr prekäre Arbeitsplätze geben. Zudem wachsen die Bedürfnisse vieler Menschen, mal mehr Erwerbsarbeit zu leisten, mal weniger, um zum Beispiel Kinder zu erziehen. Mit dieser Entwicklung ist der bürokratische Sozialstaat überfordert. Es braucht ein flexibles System, das soziale Sicherheit und die kreative Entfaltung der Einzelnen gleichermaßen fördert. Das bedingungslose Grundeinkommen wäre eine Möglichkeit.
Wie schätzen Sie die Kryptowährung Bitcoin ein?
Kessler: Der Bitcoin ist ein Spekulationsobjekt und hat wenige Reiche noch reicher gemacht. Vier Prozent der Nutzerinnen und Nutzer von Bitcoins besitzen 96 Prozent des Bitcoin-Vermögens. Zudem ist die Bitcoin-Technologie sehr energieintensiv. Sie verbrauchte 2021 etwa so viel Strom wie Österreich und Neuseeland zusammen.
Warum könnten Roboter die Pensionen zahlen?
Kessler: In der SPÖ wird seit langem ein Modell diskutiert: Man erhebt den Arbeitgeberbeitrag zur Sozialversicherung nicht mehr auf die Löhne, sondern orientiert ihn an der gesamten Wertschöpfung eines Betriebes. Dann fließt neben der Wertschöpfung durch die Arbeitnehmer auch die der Maschinen ein. Und die wird in Zukunft durch die Digitalisierung steigen.
Was hat die Coronakrise 2020/21 tatsächlich für nachhaltige und prägende Auswirkungen auf die Wirtschaft?
Kessler: Sie bedroht Betriebe und Arbeitsplätze. Aber viel weniger als befürchtet. Die Chance der Krise besteht darin, nicht einfach zur Normalität vor der Krise zurückzukehren und weiter auf möglichst viel Wachstum zu setzen, sondern Anreize zu schaffen für ein neues Wohlstandsmodell, das mit weniger Klimabelastung und Ressourcenverbrauch auskommt. Das wäre für alle besser.
Was können die Kirchen zu Alternativen zum herrschenden Wirtschaftssystem beitragen?
Kessler: Erstens können sie prophetisch eine Wirtschaftsordnung nach den christlichen Zielen Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung und Frieden einfordern. Zweitens sollten sie in den eigenen Gemeinden, Kindergärten, Schulen, Krankenhäusern und Pflegeheimen glaubwürdig aufzeigen, dass ein gerechtes und nachhaltiges Wirtschaften und Leben möglich ist.
Was kann der/die Einzelne für eine gerechtere, sozialere und ökologischere Welt tun?
Kessler: Die Einzelnen können sich politisch für mehr Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit engagieren, in Parteien, Initiativen und auf der Straße. Und sie können darauf achten, ob ihr Konsum und ihre Ersparnisse zu einer gerechteren und umweltverträglicheren Welt beitragen. «
Seminartag
Das bedingungslose Grundeinkommen – Traum oder Träumerei? Seminartag mit Wolfgang Kessler
Fr 6. August, 9 bis 19 Uhr, Bildungshaus Batschuns.
Anmeldung bis 28. Juli, T 05572 401019, E info@frohbotinnen.at, Eintritt und Verpflegung sind frei.
Buchtipp: Wolfgang Kessler: Ökonomie verstehen - und verändern. Publik-Forum 2021, 190 Seiten, € 20.-.
(aus dem Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 28 vom 15. Juli 2021)
Autor:KirchenBlatt Redaktion aus Vorarlberg | KirchenBlatt |
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