Gesellschaftspolitischer Stammtisch: „Freiheit und Selbstverantwortung in Zeiten von Corona“
An Katastrophe vorbeigerollt?

Wie weit dürfen Pandemiemaßnahmen gehen? Sind die gegenwärtigen radikalen Maßnahmen „gut, fundiert und gerade noch rechtzeitig gekommen“, wie OA Volkmar Büchner, stellvertretender Leiter der Intensivmedizin am LKH Feldkirch, bemerkte? | Foto: pexels.com / cottonbro
2Bilder
  • Wie weit dürfen Pandemiemaßnahmen gehen? Sind die gegenwärtigen radikalen Maßnahmen „gut, fundiert und gerade noch rechtzeitig gekommen“, wie OA Volkmar Büchner, stellvertretender Leiter der Intensivmedizin am LKH Feldkirch, bemerkte?
  • Foto: pexels.com / cottonbro
  • hochgeladen von KirchenBlatt Redaktion

Darf der Staat in die Persönlichkeitsrechte eingreifen, um in Zeiten einer Pandemie die Gesundheit des Einzelnen und der Gemeinschaft besser schützen zu können? Das diskutierte der Gesellschaftspolitische Stammtisch der Katholischen Kirche via Zoom mit Prof. Wolfgang Palaver, Intensivmediziner Volkmar Büchner und Touristiker Peter Marko.

Wolfgang Ölz

Der Innsbrucker Theologieprofessor und Experte für christliche Gesellschaftslehre, Wolfgang Palaver, hielt ein Impulsreferat zu staatlicher Kontrolle vs. menschlichen Grundrechten und warf einen kritischen Blick auf die Situation in Österreich. Es diskutierten mit ihm der stellvertretende Leiter des Bereichs Intensivmedizin am LKH Feldkirch, Oberarzt Dr. Volkmar Büchner, und der Geschäftsführer der Silvretta Montafon GmbH, Peter Marko.

Zwischen der starken Überwachung in den asiatischen Staaten und der Coronaverharmlosung, beispielsweise in Brasilien, gingen Europa und auch Österreich einen Mittelweg, konstatierte Moderatorin Petra Steinmair-Pösel. Trotzdem grassierten Verschwörungstheorien, und die Pandemiemaßnahmen würden mit der Zeit des Nationalsozialismus verglichen - da müsse man rhetorisch abrüsten, ist sie überzeugt.

Wolfgang Palaver erläuterte die christlich-kirchliche Position zur Notwendigkeit des Staates anhand zweier Bibelverse. Einerseits gelte es, sich den Trägern der staatlichen Gewalt unterzuordnen (Röm. 13), andererseits habe man Gott mehr zu gehorchen als den Menschen (Apg. 5,29). Jedenfalls habe der Staat dem Gemeinwohl und dem Schutz der Schwächsten zu dienen. Papst Franziskus sehe die Gleichgültigkeit als größtes Problem unserer Zeit, der mit Geschwisterlichkeit begegnet werden müsse. Beim Tragen einer Mund-Nasen-Schutzmaske etwa dürfe nicht die Frage „Was behindert mich?“ im Vordergrund stehen, sondern die Sorge „Was bedeutet das für andere?“ In Österreich sei bezüglich dem Maskentragen – etwa im Gegensatz zu Deutschland – ein „Schlendrian“ feststellbar, der auch durch Studien belegt werden könne. Hierzulande schiebe man die Verantwortung gerne auf den Staat ab; ein Relikt aus den Zeiten der Habsburger. Der/die Österreicher/in lebe nach der Devise „Jeder für sich und der Staat für alle“. Palaver erinnerte in diesem Zusammenhang auch an das heroische Handeln eines italienischen Priesters, der sein Atemgerät an einen jüngeren Patienten weitergab und diesen rettete, während er selbst verstarb.

Weihnachten so gefährlich wie Thanksgiving in den USA?

Volkmar Büchner pflichtete Palaver bei, dass in Österreich eine Katastrophe in der Intensivstation nur knapp verhindert worden sei. Die radikalen Maßnahmen seien seiner Meinung nach gut und fundiert und aus heutiger Sicht gerade noch rechtzeitig gekommen. An der prekären Lage, mittels Triage entscheiden zu müssen, wer eine Behandlung bekomme und wer nicht, sei man „um Haaresbreite vorbeigerollt“.

Peter Marko berichtet, dass die 320 Mitarbeiter/innen der Silvretta Montafon GmbH regelmäßig getestet würden und so drei positive Fälle schnell erkannt und Folgeinfektionen verhindert werden konnten. Marko gab zu bedenken, dass ein Skitag ohne Befüllungsdruck der Gondel und natürlich ohne Après-Ski wesentlich weniger gefährlich sei, als etwa der Run auf die Möbelhäuser, der nach dem Ende des harten Lockdowns einsetzte. Überhaupt stimme ihn in Hinblick auf Weihnachten die Erfahrungen nach den Thanksgiving-Feierlichkeiten in den USA nachdenklich, denn dort sei es vor allem um die Traditionenpflege mit Familienbesuch und gemeinsamen Truthahnessen gegangen, was sich anschließend in steigenden Infektionszahlen durchgedrückt hätte.

Alle an einem Strang

In der fürs Publikum geöffneten Diskussion im Chat wurde festgehalten, dass eine Impfpflicht kontraproduktiv wäre. Viel wichtiger sei es, gut und niederschwellig über die neue Impfung zu informieren. Jedenfalls rief Wolfgang Palaver dazu auf, dass während der Pandemie im Allgemeinen und beim Impfen im Besonderen alle gesellschaftlichen Kräfte an einem Strang ziehen sollten. Parteien, Religionsgemeinschaften, Medien etc. sollten in einem großen Miteinander informieren und bei der Impfung mit gutem Beispiel vorausgehen.

Wie weit dürfen Pandemiemaßnahmen gehen? Sind die gegenwärtigen radikalen Maßnahmen „gut, fundiert und gerade noch rechtzeitig gekommen“, wie OA Volkmar Büchner, stellvertretender Leiter der Intensivmedizin am LKH Feldkirch, bemerkte? | Foto: pexels.com / cottonbro
Univ. Prof. Dr. Wolfgang Palaver  | Foto: Institut für Systematische Theologie, Universität Innsbruck
Autor:

KirchenBlatt Redaktion aus Vorarlberg | KirchenBlatt

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ