Historischer Bericht anlässlich des Joseftags am 19. März
Franz Michael Felder und der heilige Josef

Der Schriftsteller, Sozialreformer und Bauer Franz Michael Felder.  | Foto: Joseph Hiller (1890) / F.M.-Felder-Archiv
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  • Der Schriftsteller, Sozialreformer und Bauer Franz Michael Felder.
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Eine kleine Wallfahrt nach Au-Rehmen zur Josefsandacht Anfang März 1863.

Georg Sutterlüty

An einem Freitagmorgen im März 1863 machte sich der Schoppernauer Schriftsteller Franz Michael Felder auf den Weg nach Au. Sein Ziel: Die Kirche im Ortsteil Rehmen, wo eine Josefs­andacht samt hl. Messe auf das Fest des dortigen Kirchenpatrons am 19. März vorbereiten sollte (Infos zu der Kirche auf der rechten Seite). Felder unternahm diese „Wallfahrt“, wie er seinem Schwager und Freund Kaspar Moosbrugger schrieb, nicht aus religiöser Demut oder besonderer Verehrung des Heiligen, sondern er sehnte sich nach Abwechslung, nachdem er über den ganzen Winter hindurch nächtelang bei schummrigem Kerzenlicht an seinem Schreibtisch gesessen hatte, um an seinem ersten Roman, der Dorfgeschichte „Nümmamüllers“, zu arbeiten.

Die ersten hellen Strahlen der Frühlingssonne hatten Felder schließlich geweckt, alles sei so „schön und lieblich, als man es Anfang März nur wünschen kann“, frohlockte er. Er war nicht der einzige „Wallfahrter“, vor ihm und hinter ihm ein Grüppchen junger Frauen, die sich ganz angeregt über den „Faschnatziestag“ (Faschingsdienstag) und das „Stubat gau“ (einander besuchen) unterhielten. So bekam auch er ein wenig mit, was ihm in den letzten Wochen entgangen war. Er zündete sich wohlgelaunt eine Pfeife an und entsann sich plötzlich, er habe ja dem Organisten Greußing ein paar Verse versprochen für das Rehmer Lied. Kaum stimmte er seine „Dichterharfe“, purzelten die ersten Reime aus ihm schon heraus:
Ihr werdet das Tälchen wohl kennen? / Verschlossen dem Treiben der Welt. / Doch will ich das Dörfchen euch nennen, / Wo’s ihnen am besten gefällt. / Und keiner braucht’s übel zu nehmen, /Sag ich auch die Wahrheit genau: / Es ist dies das freundliche Rehmen / Ein kleines Örtchen bei Au.

Felder hatte, noch bevor er literarisch in Erscheinung treten sollte, bereits ein gespaltenes Verhältnis zur Kirche. Er fragte sich, warum sahen die Pfarrherren hinter jeder Tätigkeit und jedem Gedanken, die mit Lust und Freude verbunden waren, eine Sünde oder ein Werk des Teufels? „Großer Gott“, schrieb er seinem Freund, „Auf dem Rehmer Kirchturm sah ich die Göttin der Wahrheit stehen. Sie drohte mir mit dem Finger, machte ein Gesicht wie der Kurat Stöckler, wenn er gegen das Tanzen und Liebschaften predigt oder über die jetzige gottlose Zeit Zeter und Mordio schreit.“ Felder war es aber genauso bewusst, dass seine aufklärerischen Standpunkte bei Kirchenvertretern, aber auch bei vielen Dorfbewohner/innen auf wenig Verständnis stoßen würden. Seinem Schwager erklärt er: „Die herrschenden Übelstände können nicht besungen werden, wenn man sich nicht mit allen verfeinden (…) will.“

So senkte er seinen Blick vom Kirchturm und betrat das Gotteshaus. Über die Messe hatte er nicht viel zu berichten, außer dass sie „ungemein lang währte“ und dass ein gerade in Schnepfau stationierter Kapuzinerpater die Predigt gehalten habe. Diese schien einigen seiner Banknachbarn sehr gelegen, um ein Nickerchen zu machen. Felder selbst dürfte für ein Schläfchen zu aufgeregt gewesen sein. Viel eher umkreisten ihn die literarischen Figuren, die er in diesem Winter geschaffen sowie Tag und Nacht mit sich getragen hatte, um sie zu schleifen und ihnen Konturen zu geben. Seinem Schwager Moosbrugger erklärte er recht genau, welche Schriftsteller ihn inspirierten und auf welchem erzählerischen Fundament seine Dorfgeschichte aufgebaut sei. Er sei abgekommen von der Idee, seine Protagonisten, „herausgebürstet und gewichst“, sprich allzu ideal zu zeichnen. Die Geschichte solle so real wie möglich erscheinen, als würde sie direkt im Dorf spielen. Deshalb müsste auch den „Schattenseiten des Bauernlebens“ Platz gegeben werden.

Nach der Messe kehrte Felder, wie es bei Wallfahrten üblich war, noch ein. Er besuchte die Familie seiner Frau Nanni im benachbarten Ortsteil Schrecken. Da trank er mit dem „Schneider“, einem weiteren Schwager, ordentlich Most und ehe er sich versah, verlor er bei heiterer und anregender Unterhaltung die Zeit aus den Augen.

Auf dem Weg nach Hause kaufte Felder in Au noch Papier, um „wieder schreiben zu können“. Als er an der Rehmer Kirche vorbeischritt, zog er rasch einen Bogen und Stift hervor. Es waren ihm kurzerhand die letzten Verse des Rehmer Liedes eingefallen: Sie haben nicht stolze Paläste / Und tauschten mit keinem darin; / Denn ihnen fehlt ja nicht das Beste: / Genügsamkeit, fröhlicher Sinn. / So leben sie fröhlich und munter / Genießend das häusliche Glück. / Sankt Josef schaut segnend herunter / Vom Himmel mit lächelndem Blick!?

Von der Kapelle zur Kuratiekirche

Die Bewohner/innen von Rehmen, einem Ortsteil in Au, wollten sich im 18. Jahrhundert von der Pfarre in Au selbständig machen. Sie begründeten den Wunsch mit dem „lebensgefährlichen Weg“ zur Pfarrkirche Au.
Über die Kirche im Auer Ortsteil Rehmen gibt erstmals der Auer Pfarrer Joseph Hiller in seiner 1890 publizierten Ortsgeschichte „Au im Bregenzerwald: 1390 - 1890“ Auskunft: „Unter Pfarrer Beer ist im Jahr 1664 in Rehmen eine kleine Kapelle erbaut worden mit einem Altare zu Ehren der allerheiligsten Namen Jesus, Maria und Josef.“ Es war ausgedungen, dass der Auer Pfarrer dort wöchentlich eine Messe las. Bereits Anfang des 18. Jahrhunderts wurde die Kapelle dann wesentlich vergrößert, nun war Platz geschaffen für drei Altäre. Zur Einweihung rückte sogar der Weihbischof von Konstanz an, der zugleich auch die Schoppernauer Kirche benedizierte.

Streben nach Unabhängigkeit
Je größer das Gotteshaus wurde, desto selbstbewusster gaben sich die Bewohner/innen vor allem der umliegenden Weiler Rehmen und Leberau. Am Ende des 18. Jahrhunderts beantragten sie in Innsbruck die Errichtung einer unabhängigen Kaplanei mit einem eigenen Friedhof. Sie begründeten dies mit einem weiten und „lebensgefährlichen Kirchweg“. Mit dem berühmten Maler und gebürtigen Rehmer Wendelin Moosbrugger verfügten sie über einen mächtigen Fürsprecher in der Diözese Konstanz. Der Künstler griff gleich selbst zum Pinsel, was in Folge die Bedeutung des Kirchleins immens steigern sollte. Um 1800 malte er das Hochaltarbild der hl. Familie, auch die beiden Seitenaltarbilder stammen von ihm. Nach längerem Hin und Her - die Pfarre Au wehrte sich entschieden gegen die Pläne der Rehmer/innen - wählte die Diözese den Mittelweg. Sie schickte 1803 einen Stiftsbrief für eine Filialgründung. Rehmen wurde zu einer Expositur der Auer Pfarre, die von einem Geistlichen, dem Kurat, betreut werden sollte. Der Hilfspriester sollte an Sonn- und Feiertagen vormittags wie nachmittags die heilige Messe lesen und laut Hiller „die Schuljugend fleißig katechisieren“. Der Auer Pfarrer behielt sich hingegen das Recht vor, die Messopfer der hohen Kirchenfeste für sich zu beanspruchen. Und weiterhin konnte man nur in der Pfarrkirche in Au den Bund der Ehe schließen und auf dem dortigen Friedhof bestattet werden.

Josefsandachten
Im Stiftsbrief festgehalten ist das Patronat des heiligen Josef. Seit der Gründung der Filialkirche wurden jährlich die Josefs­andachten abgehalten. Dafür hatte es den päpstlichen Segen gebraucht, schließlich sind während dieser Zeit auch Ablässe vergeben worden. Die Andachten fanden achtmal in der Fastenzeit statt. Nur wenige Jahre nach Franz Michael Felders Bericht wurden 1877 die Josefsandachten per Abstimmung wieder aufgelassen. Diese dürften nur noch wenig Zuspruch gehabt haben. Die Kirche schien gemeinhin einer Glaubenskrise ausgesetzt, welche auch die Kuratie in Rehmen zu spüren bekam. Aufgrund des Mangels an weltlichen Priestern wurde dort die Stelle ab 1882 mit Patres aus dem Kapuzinerorden in Bezau besetzt.

Heute wird in Rehmen dem hl. Josef vor allem an seinem Patrozinium gedacht. Dieses findet am Sonntag direkt vor oder nach dem 19. März statt. Die Feierlichkeit dieses Tages unterstreicht ein geladener Gastprediger. Dann werden die Fahnen geschwungen und die heimische Musikkapelle lässt die Rehmer Kirche für einen Sonntag hochleben.

(aus dem Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 11 vom 18. März 2021)

Der Schriftsteller, Sozialreformer und Bauer Franz Michael Felder.  | Foto: Joseph Hiller (1890) / F.M.-Felder-Archiv
Die Kuratiekirche hl. Josef in Au-Rehmen heute. | Foto: KKV / Willi
Autor:

KirchenBlatt Redaktion aus Vorarlberg | KirchenBlatt

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