Begegnungsstätte Beit Noah am See Gennesaret
„Sich von der Not und der Schönheit berühren lassen“
Johanna Binder aus Kirchdorf an der Krems hilft, die internationale Jugend- und Begegnungsstätte Beit Noah, wie das Projekt heißt, organisatorisch nachhaltig zu ordnen.
Das Benediktinerkloster Tabgha mit seiner Brotvermehrungskirche und den Messplätzen auf dem Seeufer gilt als einer der schönsten Orte am See Gennesaret. Die Ordensleute teilen aber ihr Paradies vor allem mit Menschen mit Beeinträchtigungen.
Die starken Quellen, die zwischen der Brotvermehrungskirche und dem Seeufer entspringen, bilden den Schatz von Tabgha. Die Wasserkanäle und Becken sind in dem heißen Klima eine unwiderstehliche Einladung zum Baden und gleichzeitig sorgt der Wasserreichtum für eine üppige Vegetation.
Dieses paradiesische Areal mit Zeltplatz und einfachen Baracken als Unterkunft öffneten die deutschen Benediktiner von Tabgha Anfang der 1980er Jahre. Vornehmlich Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigungen sollten am See Urlaub machen können.
Von Beginn an stand das Beit Noah – das Haus Noah – jüdischen, christlichen und muslimischen Gruppen offen, Behinderteneinrichtungen aus Israel und auch aus den palästinensischen Autonomiegebieten, was bis heute mit Organisationsaufwand und Bangen verbunden ist, ob die israelischen Behörden die Erlaubnis zur Einreise nach Israel geben. „In Beit Noah ist man Mensch, nur darum geht es, nicht um Politik“, sagt Johanna Binder.
Der Höhepunkt des Jahres
Da bis zu 80 Personen auf dem Gelände sein können, sind oft mehrere Gruppen gleichzeitig vor Ort. Durch die Absprachen, die die Benützung der Küche, der Pools, des Grillplatzes und vieles mehr erfordert, kommt es von selbst zu Begegnungen über die Politik hinweg. Durch seine abgeschiedene Lage ist Beit Noah ein versteckter Schatz, erklärt Binder, und das ist auch gut so. Nichts, was hier geschieht, ist geheim, aber eine gewisse Diskretion klug. Denn für radikale Gruppen bleiben solche Orte immer suspekt. Doch das steht einer überlegten Öffentlichkeitsarbeit zum Beispiel auf Facebook natürlich nicht entgegen und kann die Freude darüber nicht trüben, dass Tabgha ein Ort ist, von dem eine heilende Kraft ausgeht.
„Gruppen, die zum Teil schon mehr als 30 Jahre herkommen, beschreiben, dass sie sich im Beit Noah und in Tabgha behütet fühlen, dass sie die Heiligkeit des Ortes und die Gegenwart der Mönchsgemeinschaft und deren Gastfreundschaft schätzen. Auch muslimische Gruppen betonen das“, fasst Binder ihre Befragungen unter den Gästegruppen zusammen. Immer wieder bekam sie zu hören, dass für Menschen mit Beeinträchtigung die Zeit im Beit Noah das Highlight des Jahres ist, ein Platz zum Fröhlichsein und Kraftschöpfen: „Auf diesem friedlichen Ort am See geschehen Wunder: der inneren Heilung, der Begegnung mit Gott und untereinander.“
Neue Organisation
Das Beit Noah ist stets ausgebucht. In den Vor-Corona Zeiten zählte man an die zehntausend Nächtigungen pro Jahr. 2021 waren es schon wieder knapp die Hälfte. Das Problem besteht aber darin, dass viele Gruppen kaum nennenswerte Beiträge zum Aufenthalt leisten können und das Kloster permanent mitfinanzieren muss. Um das Beit Noah so zu positionieren, dass es Schritt für Schritt auf eigenen Füßen zu stehen kommt, ist unter anderem Johanna Binder seit Herbst 2020 in Tabgha.
Die an der Uni Salzburg ausgebildete Organisationsentwicklerin wurde als Fachkraft für Organisationsentwicklung und Netzwerkarbeit von AGIAMONDO, dem Fachdienst der deutschen Katholiken für internationale Zusammenarbeit entsandt. Noch ist nicht die Zeit für eine Bilanz. Die Coronapandemie hat ihre Arbeit natürlich gebremst, gleichzeitig konnte sie die Personen gut kennenlernen, die das Beit Noah nutzen und tragen: die Mönche, den Leiter Paul Nordhausen und die Handvoll Volontäre, die stets vor Ort sind.
Ort des Glaubens
Eine besondere Facette des Einsatzes von Johanna Binder ist das Leben in Israel. Da ihr Leben von Jugend an vom Glauben durchdrungen ist – seit 2017 gehört sie der katholischen Kirche an –, birgt das eine eigene Faszination. Binder hat eine Wohnung in einem nahen jüdischen Dorf. Sie hat aber stets Kontakt zu jüdischen und arabischen Israelis sowie zu Palästinensern.
„Natürlich ist der politische Konflikt in den Begegnungen präsent“, betont sie. „Aber man darf nicht fragen: Was stimmt jetzt? Da kommt man nicht weiter.“
Unterschiede aushalten
Für sie ist wichtig, allen Seiten zuzuhören und sich von der Not der Menschen sowie von der Schönheit des Landes berühren zu lassen: „Ich werde immer wieder aufs Neue überrascht, was sich in diesem Land, das so von Gegensätzen und politischen Auseinandersetzungen geprägt ist, alles ausgeht. Es ist ein Geschenk, hier leben und arbeiten zu können.“ «
Johanna Binder in Tabgha (vorne), geboren 1986, ist in Kirchdorf an der Krems aufgewachsen. Ihr Vater war Pfarrer der evangelischen Gemeinde. Im Gemeindehaus hat sich eine Gruppe der „KISI-God‘s singing kids“ getroffen, der sie auch angehörte. Nach der Matura in Schlierbach hat sie beim katholischen Werk „KISI-God‘s singing kids“ in Altmünster angedockt und war von 2010 bis 2020 fest angestellt. Unter anderem war sie für Auslandsprojekte tätig.
Autor:KirchenZeitung Redaktion aus Oberösterreich | KirchenZeitung |
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