Scharfe Proteste gegen die Umwidmung der Hagia Sophia
Die weltberühmte Hagia Sophia in Istanbul – jahrzehntelang ein Museum und bis 1453 größte Kirche der Christenheit – wird künftig wieder als Moschee genutzt. Das Oberste Verwaltungsgericht der Türkei hat dazu den Weg freigemacht.
Über 900 Jahre wurde in der mächtigsten Kirche des östlichen Christentums Gottesdienst gefeiert, danach fast 500 Jahre lang das muslimische Freitagsgebet gehalten. Die Hagia Sophia („Göttliche Weisheit“), erbaut als Palast- und Krönungskirche der byzantinischen Kaiser, steht am äußersten Südostzipfel Europas – und blickt quasi über den Bosporus hinüber nach Asien. Seit 1934/35 ist sie ein Museum.
Wie die türkische Nachrichtenagentur Anadolu am 10. Juli meldete, annullierten nun die Richter des Staatsrats den seit den 1930er Jahren bestehenden Status eines Museums für den Kuppelbau aus dem 6. Jahrhundert, der zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan unterzeichnete daraufhin ein Dekret zur Nutzung der Hagia Sophia als Moschee.
Proteste
Diese Entscheidung löste internationale Proteste aus. So brachte der Generalsekretär des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK/Weltkirchenrat), Ioan Sauca, in einem Brief an den türkischen Präsidenten die „Bestürzung und Trauer“ des Weltkirchenrats „und der 350 Mitgliedskirchen“ über die Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee zum Ausdruck. Erdogan habe dadurch „das positive Signal der Offenheit der Türkei zu einem Zeichen von Ausschließung und Spaltung umgewandelt.“ Diese Entscheidung sei leider auch ohne vorherige Benachrichtigung oder Diskussion mit der UNESCO im Hinblick auf die Auswirkungen auf den „universalen Wert“ der Hagia Sophia erfolgt, wie er durch die Welterbe-Konvention besiegelt sei. Der ÖRK-Generalsekretär forderte den türkischen Präsidenten ausdrücklich zur Revision seiner Entscheidung auf.
Religionsfreiheit verletzt
Der Nahostkirchenrat appellierte an die Vereinten Nationen und die Liga der Arabischen Staaten, sich gegen die Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee zu stellen. Die vom Obersten Gericht der Türkei gebilligte und von Präsident Recep Tayyip Erdogan angekündigte Umwidmung des Wahrzeichens sei ein Angriff auf die Religionsfreiheit, erklärte der „Kirchenrat des Nahen Ostens“ in Beirut. „Jene Freiheit, die zum Eckpfeiler des internationalen Bewusstseins geworden ist und die durch internationale Gesetze geschützt wird.“ Auch müsse die historische Symbolik der als Kirche erbauten Hagia Sophia bewahrt werden.
Enttäuschung
Auch der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. sprach sich kategorisch gegen eine Nutzung der Hagia Sophia in Istanbul als Moschee aus. „Jeder Versuch, das tausendjährige geistige Erbe der Kirche von Konstantinopel zu entwürdigen oder zu verletzen, wurde und wird vom russischen Volk – sowohl früher als auch jetzt – mit Bitterkeit und Empörung wahrgenommen“, betonte das Kirchenoberhaupt in einer schriftlichen Erklärung in Moskau. Eine Bedrohung der Hagia Sophia stelle eine „Bedrohung für die gesamte christliche Zivilisation dar, also für unsere Spiritualität und Geschichte“.
Der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., hat sich zuletzt Ende Juni deutlich gegen eine Statusveränderung ausgesprochen. Die Hagia Sophia sei eines der bedeutendsten Baudenkmäler der menschlichen Zivilisation und gehöre nicht bloß ihren unmittelbaren Eignern, sondern „der ganzen Menschheit“, sagte der Patriarch bei einem Gottesdienst in Istanbul. Das türkische Volk trägt die Verantwortung, diese Universalität hervorzuheben. Als Museum könne die Hagia Sophia als „Ort und Symbol der Begegnung, des Dialogs und des friedlichen Zusammenlebens der Völker und Kulturen, des gegenseitigen Verständnisses und der Solidarität zwischen Christentum und Islam“ fungieren, betonte Bartholomaios. Eine Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee hingegen würde „Millionen Christen in aller Welt enttäuschen“ und zu Brüchen führen. Dies genau in einer Zeit, fügte der Patriarch hinzu, „in der die geplagte und leidende Menschheit aufgrund der tödlichen Pandemie des neuen Coronavirus Einheit und gemeinsame Orientierung braucht“.
Schritt weg von Europa
Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg reagierte auf diese Entscheidung des Obersten Verwaltungsgerichts der Türkei mit den Worten, sie sei „ein weiterer Schritt der Türkei weg von Europa, den wir zutiefst bedauern und nicht nachvollziehen können“. Als Museum sei die Hagia Sophia Millionen Menschen aller Kulturen und Religionen offengestanden, so der Außenminister. „Sich von der Offenheit eines historischen Bauwerkes für alle Religionen in einer derartigen Form zu verabschieden, sehen wir sehr kritisch“, betonte Schallenberg.
Großer Schmerz
Papst Franziskus hat sich überraschend zur Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee geäußert. Wenn er an das Wahrzeichen in Istanbul denke, empfinde er „großen Schmerz“, sagte er am Sonntag nach dem Angelus-Gebet auf dem Petersplatz. Mehr zu der international umstrittenen Entscheidung sagte das Kirchenoberhaupt nicht.
Autor:KirchenZeitung Redaktion aus Oberösterreich | KirchenZeitung |
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