Regionale Kirchengeschichte und ihre Folgen
Diözesansynode mit Langzeitwirkung

Foto: Diözesanarchiv Linz

Der „Synodale Weg“ in Deutschland, der „Synodale Prozess“ in der Weltkirche und ein Papst, der sich eine synodale Kirche wünscht: Bei all den aktuellen Ereignissen kann ein Blick auf die Linzer Diözesansynode der Jahre 1970 bis 1972 Orientierung bieten. Ihr 50 Jahre nach ihrem Abschluss noch wegweisendes Motto lautete: „Kirche um der Menschen willen“.

„Kirche um der Menschen willen: Dass diese Haltung damals von der Kirchenleitung offiziell bestätigt wurde, hat mich sehr beeindruckt“, sagt Kurt Rohrhofer. Er war damals als Diözesanvorsitzender der Katholischen Arbeitnehmer/innen-Bewegung OÖ Delegierter auf der Synode. Hinter dem Motto stand eine Neuausrichtung der Beziehung zwischen Kirche und moderner Gesellschaft nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil in einer sich rasch verändernden Welt.

Schon 1966 begann die Diözese Linz mit dem intensiven Kraftakt der Synodenvorbereitung. Geschultert wurde diese von einem Team um den damaligen Pastoralamtsleiter Franz Vieböck. Nicht mit allen Plänen drang die Gruppe bei Bischof Franz Salesius Zauner gleich durch.

Doch hielt die neue Zeit in der Vorbereitung Einzug: In einer groß angelegten Umfrage unter allen Oberösterreicher/innen (nicht nur Katholik/innen) wurde nicht allein nach eigener Kirchenbindung, sondern auch nach Veränderungswünschen gefragt.

116.421 Personen antworteten und überraschten das Vorbereitungsteam mit dieser hohen Beteiligung. Etwas provokant hatte man öffentlich mit dem Satz geworben: „Haben Sie dem Bischof schon Ihre Meinung gesagt?“ Dazu kam eine repräsentative Umfrage und eine Erhebung in Linzer Pfarren.

Modern

„Dieser moderne Zugang mit den Umfragen, das genaue Hinsehen auf die Lebenssituation der Menschen haben die Synode geprägt“, sagt der Linzer Kirchenhistoriker Helmut Wagner. Sein Salzburger Kollege Roland Cerny-Werner sieht in seinem Buch „Das Konzil kommt unten an“  in der Linzer Synode zudem eine besondere Hinwendung zu Gremien, also zur Mitbestimmung. Darin sei eine Professionalisierung der Verläufe erkennbar.

Neun große Themenblöcke wurden auf der Linzer Diözesansynode bearbeitet: Verkündigung; Gottesdienst, Sakramente und christlicher Lebensvollzug; sozialkaritative Dienste; Strukturen; Träger kirchlicher Dienste; Verwaltung; apostolische Bewegungen; Kirche und Welt; Ökumene.

Eines der bleibenden Ergebnisse ist die Entwicklung des ersten Statuts für die Pfarrgemeinderät/innen. „In diese Beratungen war ich involviert. Bei allen Anpassungen, die später kamen, hat sich das sehr gut entwickelt“, berichtet Kurt Rohrhofer.

Auch Helmut Wagner betont die Bedeutung der Pfarrgemeinderäte. Demokratische Grundsätze kannte bereits die Synode selbst: „Delegierte wurden von den Pfarren und den Dekanaten in die Synodenversammlung gewählt. Die Themen wurden aber immer auch an die Pfarren zurückgespielt. Ich kenne keinen anderen synodalen Prozess, der derart durchgängig demokratisch organisiert war.“ 

Kirche und Welt

Kurt Rohrhofer, der sich an heftige Diskussionen und kritische junge Kapläne erinnert, hat auch eine teilweise Überforderung der Delegierten mit den vielen Papieren und Abstimmungen beobachtet. Er berichtet von einer weiteren Erfolgsgeschichte: „Eines meiner Schwerpunktthemen war ‚Kirche und Welt‘, besonders die Arbeitswelt. Das von uns erarbeitete Synodenpapier ist ohne große Widerstände durchgegangen. Hier konnten Grundlagen geschaffen werden für den Ausbau der Betriebsseelsorge und das In-den-Blick-Nehmen der Arbeitslosen. Unter Bischof Aichern wurden später hier viele Dinge entwickelt.“

Dass die Katholischen Arbeitnehmer/innen auf der Synode sehr erfolgreich waren, bestätigt auch Historiker Helmut Wagner: „Sie waren sehr gut vorbereitet und hatten mit dem berühmten Dreischritt Sehen-Urteilen-Handeln ein taugliches Instrumentarium zur Hand.“

Bischof

War also alles eitel Wonne? Der Dokumentationsband zur Synode erzählt auch eine andere Geschichte, nämlich jene von den nicht wenigen Beifügungen und Bemerkungen von Bischof Zauner.

Um nur ein prominentes Beispiel zu nennen: In einem Beschluss heißt es, die Bischofskonferenz möge sich in Rom darum bemühen, auch verheiratete Männer zum Priesteramt zuzulassen, „die der Kirche gegebenenfalls auch nebenberuflich zur Verfügung stehen könnten. Wer wegen der Zölibatsverpflichtung aus dem Priestertum ausscheiden müsste, soll auf Wunsch im kirchlichen Dienst verbleiben können.“ Zauner schrieb dagegen von einer „heiligen Pflicht, die zu erfüllen ist, nachdem sie freiwillig übernommen wurde“.

Überhaupt ist die Rolle von Zauner auf der Synode nicht klar. Historiker Cerny-Werner sieht in ihm „keinen überzeugten Anhänger der Diözesansynode“, er schreibt von „impliziter Opposition“. Sein Kollege Helmut Wagner sagt: „Zauner war durchaus aufgeschlossen, der Laienkatholizismus der Katholischen Aktion war ihm sehr wichtig. Das Problem liegt eher darin, dass ihm die Themen auf der Synode entglitten sind. Als er merkte, dass er sie nicht mehr steuern konnte, konnte er nicht mehr viel damit anfangen.“

Bezeichnenderweise hatte Weihbischof Alois Wagner den Vorsitz auf der Synode inne. Seine Stellvertreter/innen waren Franz Vieböck, Eduard Poier und mit Inge Loidl eine Frau. Historiker Roland Cerny-Werner sieht das Besondere an der Linzer Synode auch darin, „dass das allgemeine und durchaus klar erkennbar einsetzende Nachdenken über ebenjene Rolle der Frau in der katholischen Kirche dort auch normativ und formal sichtbar wurde“. 

Bilanz

Und was blieb von der Linzer Diözesansynode? Der damalige Delegierte Kurt Rohrhofer resümiert: „Wir sind alle damals einigermaßen zufrieden weggegangen. Die Grundzüge sind geblieben, es ist zumindest bei den Themen, die mich betrafen, nichts dabei, wo wir völlig falsch gelegen wären. Manches hat sich nur anders entwickelt.“

Helmut Wagner verweist aus historischer Sicht auf die lange Wirkung der Synode in personeller Hinsicht: „Die Synode hat sich schon deshalb gelohnt, weil eine Gruppe von gut ausgebildeten und reflektierten Personen gebildet wurde, die bis in die 2000er-Jahre hinein ein gemeinsames Verständnis von Diözese, Gemeinschaft und Kirche getragen hat.“

Auf der Strecke geblieben sind laut Wagner aber Themen, die nicht auf diözesaner Ebene erreichbar waren. Ob Priesterweihe für verheiratete Männer oder das Diakonat der Frau: Diese Themen wurden beim abschließenden Synodalen Vorgang der Kirche in Österreich, der die Ergebnisse der Diözesansynode bündeln sollte, weitgehend „planiert“. Die Kirche schleppt sie heute noch mit sich herum. «

Zur Sache

Diözesansynode 1970–1972

Zwischen dem 7. März 1970 und dem 18. November 1972 fanden vier Vollversammlungen der Diözesansynode statt, die letzten beiden davon auf mehrere Wochenenden verteilt. Es war die nach offizieller Zählung bereits dritte Diözesansynode in der Diözese Linz nach jenen von 1911 und 1928. Nimmt man die am Kaiser gescheiterte Synode von 1787 noch hinzu, war es die vierte. Die Synodenvollversammlung 1970 bis 1972 setzte sich aus 75 gewählten pfarrlichen Laiendelegierten (53 Männer, 22 Frauen), 75 gewählten Klerusdelegierten sowie gewählten Vertreter/innen der Orden, der Katholischen Aktion und bestimmter Seelsorgebereiche zusammen – insgesamt 289 Personen (48 davon Frauen). Damit sich Lai/innen beteiligen durften, war eine päpstliche Erlaubnis eingeholt worden.

Neuerscheinung

Den Diözesansynoden in Salzburg, Wien und Linz widmet sich das im Vorjahr erschienene Buch „Das Konzil kommt unten an“ des Salzburger Kirchenhistorikers Roland Cerny-Werner. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Salzburger Synode. Jene von Wien und Linz bilden im Buch eher die Kontrastfolien, welche die Weiterentwicklungen zeigen. Insofern wird Salzburg im Buch deutlich mehr Gewicht eingeräumt. nie

Roland Cerny-Werner: Das Konzil kommt unten an. Diözesansynoden in Österreich (Salzburg, Wien, Linz). Herder Verlag, 731 Seiten, 66,90 Euro.

Autor:

KirchenZeitung Redaktion aus Oberösterreich | KirchenZeitung

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