Eugen Drewermann im KirchenZeitungs-Interview
„Christ zu werden ist schwer“
Der deutsche Theologe Eugen Drewermann ist nicht mehr Mitglied der Kirche und wird trotzdem nicht müde, für die Kirche zu werben. Seine Überlegungen sind unkonventionell, außerhalb der traditionellen katholischen Lehre und dennoch nicht einfach vom Tisch zu wischen.
Scheinbar unüberwindbare Differenzen in der Lehre von der Kirche bildeten vor drei Jahrzehnten einen wesentlichen Grund für die Entlassung von Eugen Drewermann.
Nachdem ihm seine Lehrbefugnis als Theologieprofessor entzogen und er vom Priesteramt suspendiert worden war, ist es innerhalb der Amtskirche still um ihn geworden. Doch nun ist der 82-Jährige plötzlich wieder da: als gesuchter Gesprächspartner im gesamten deutschen Sprachraum.
Unzweifelhaft hat das Erdbeben, das gerade die katholische Kirche Deutschlands aufgrund des Missbrauchsskandals erschüttert, zu seiner Wiederentdeckung beigetragen. Seine theologische Wiederkehr ist das unausgesprochene Eingeständnis, dass er offensichtlich in manchem nicht unrecht hatte.
Dabei gibt Drewermann im Gespräch mit der KirchenZeitung nicht den Besserwisser: Weder den aktuellen Auslöser, noch die bestürzende Dynamik, die die Missbrauchkrise angenommen habe, habe er erwartet, obwohl seit langem schon eine starke Protestreaktion gegen die Kirche zu beobachten ist. Der Grund dafür ist für ihn aber klar: „Es wurde ein Menschenbild gelehrt, das Menschen in Angst stürzt und nicht hilfreich ist.“
Kirche als Gefäß
Trotz allem ist es für Drewermann notwendig, sich mit der Kirche zu beschäftigen: „Die Kirche ist wie ein Gefäß, schmutzig zwar, aber doch dienstbar um Wasser nach Hause zu tragen.“ Er verweist auf das, was fehlt, wenn die Kirche versagt: „Mir tun die Menschen leid, die den Glauben nicht mehr finden, Eltern, die ihren Kindern nicht mehr sagen können, was sie trägt.“
Welche Gestalt die Kirche haben sollte, die den Menschen zu leben hilft, kann man an der Seite Jesu lernen: „Meine Vorstellung von Kirche ist, dass sie wie Jesus heilend für die Menschen da ist. Jedes Wort Jesu sollte in diese Richtung ausgelegt werden. Jesus spricht im Geist des Propheten Jeremia von einem Neuanfang in der reinen Güte Gottes, von einem neuen Herzen.“
Wo Kirche hinderlich ist
Trotz seiner Konfliktgeschichte betrachtet Drewermann die katholische Kirche nicht als Gegnerin: „Die Schätze, die die Kirche birgt, sind enorm, aber sie muss sehen, wo sie hinderlich ist. Kirche darf sich nicht dagegen wehren, dass Menschen ihren eigenen Weg gehen und ihre Unmittelbarkeit zu Gott finden. So wie der zwölfjährige Jesus im Tempel zu Maria und Josef gesagt hat: ‚Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meines Vaters ist?’“
Selbststabilsierung der Kirche
Zu Eskalation des Konflikts mit der Kirchenleitung hat das Buch Drewermanns über die Priester mit dem Titel „Kleriker. Psychogramm eines Ideals“ beigetragen. Allein im Erscheinungsjahr 1989 hat es sieben Auflagen erlebt, 2019 wurde es wieder aufgelegt, weil es durch die Missbrauchskrise neue Aktualität erhalten hat: „Ich wollte die Kirche mit dem Buch nicht angreifen, sondern auf die Natur des Menschen aufmerksam machen.“
Drewermann fasst sein umfangreiches Kleriker-Buch in zwei Sätzen zusammen: „Es ist einfach, katholisch oder evangelisch zu sein, aber schwer, Christ zu werden. Das sollten wir versuchen.“ Seinen Konflikt mit der Amtskirche deutet er als Zeichen dieses Versuchs.
Auf die Frage, ob der „Synodale Weg“, der gerade läuft, der Kirche Deutschlands helfen kann, meint Drewermann: „Man möchte hoffen. In jeder Institution, deren Strukturen sich auflösen, kommt es zu Machtgerangel, wie wir es jetzt in der katholischen Kirche gerade sehen, und zu einer Phase der Fluktuation. Doch ich gehe davon aus, dass eine neue Selbststabilisierung der Kirche eintritt, und zwar von unten, nicht mehr von oben verordnet.“ «
Autor:KirchenZeitung Redaktion aus Oberösterreich | KirchenZeitung |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.