Das Bischofswort zur österlichen Bußzeit
Dem Grundwasser unserer Lebensfreude neu auf die Spur kommen

Foto: Martin Huber / EXPA / picturedesk.com
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Liebe Schwestern und Brüder!

Wo ist dein Lächeln geblieben? Diese Frage einer demenzkranken Frau während eines Lock-downs hat eine Pflegerin dermaßen erschüttert, dass diese daraufhin in Tränen ausgebrochen ist. Der Mund-Nasen-Schutz verdeckte das vertraute Gesicht der Bezugsperson, verdeckte die Lebensfreude.
Wo ist dein Lächeln geblieben? Das vergangene Jahr hat uns vieles abverlangt. Die Pandemie hat fast alles in den Hintergrund gedrängt, hat Planungen verunmöglicht oder über den Haufen geworfen. Sie zeigt uns, wie zerbrechlich und verletzlich unsere Welt ist – im Kleinen wie im Großen. Wir haben um Verstorbene geweint. Viele haben ihren Arbeitsplatz verloren oder fürchten um ihre wirtschaftliche Existenz. Wie sehr fehlen doch das ungezwungene Miteinander, der unmittelbare soziale Kontakt, die gesellschaftlichen und kulturellen Veranstaltungen und schließlich auch das vertraute kirchliche Leben. Die Pandemie mutet uns ein hohes Maß an gegenseitiger Verantwortlichkeit zu.
Wo ist dein Lächeln geblieben? Ist uns das Lächeln abhandengekommen? Die Österliche Bußzeit dieses Jahres gibt uns die Gelegenheit, dem Grundwasser unserer Lebensfreude neu auf die Spur zu kommen – möglicherweise hat uns gerade das vergangene Jahr dabei so manches beigebracht.

Glaube trägt im Leben
Es lohnt sich, innezuhalten und nachzuforschen, was das eigene Rückgrat stärkte. Da waren wohl auch Erfahrungen der Freude und der Schönheit. Solche Sternstunden, Taborstunden, Erfahrungen des Glücks, der Lebensfreude, der intensiven Beziehung sind Anker der Hoff-nung. Auch diese Erfahrungen hat es gegeben, sie wurden in dieser Zeit vielleicht sogar intensiver erlebt. Sie geben Zuversicht auch in dunklen Stunden, machen Mut und lassen nicht verzweifeln. Verlässliche Beziehungen, Freunde und der Zusammenhalt in der Gesellschaft über alle Grenzen und Gegensätze hinweg geben Vertrauen und Hoffnung in unübersichtlichen Zeiten.
Es war für mich persönlich aufbauend, in den vergangenen Monaten teilen zu dürfen, was abgeht, was mir fehlt: Das waren persönliche Kontakte zu Freunden, Begegnungen mit der Herkunftsfamilie, aber auch die Feier der Liturgie und der Sakramente. Die Coronazeit war und ist durchaus eine Zeit der Dankbarkeit für vieles, was sich als nicht selbstverständlich erwiesen hat. Gerade in Krisenzeiten haben mich und andere eine gute Ordnung und Struktur des Tages bzw. des Kirchenjahres mit den damit verbundenen Ritualen wirklich getragen. So durften wir auch die Hoffnung teilen. Krisen wie die Corona-Epidemie sind eine Herausforderung, eine gute Verankerung zu suchen, am Fundament des Lebens zu arbeiten.
Die COVID-Pandemie stellt uns vor Augen, dass zu unseren Grundaufgaben der Aufbau einer Lebenskultur gehört, die sich in der Krise bewährt, einer Lebenskultur, die die Bedürfnisse anderer sieht und hört: Die Menschen wollen wahrgenommen werden, freuen sich, wenn ihnen jemand zuhört und sie versteht. Aufmerksamkeit und Wertschätzung sind maßgebliche Tugenden. Die Bereitschaft zu helfen, beispielsweise in Form von Nachbarschaftshilfe, und der Wille zum Zusammenhalt haben sich in den Phasen des Lockdowns verstärkt gezeigt. Aber auch die Bereitschaft des Verzichts auf persönliche Freiheiten, um besonders gefährdete Menschen vor der Ansteckung zu schützen, unterstreicht das hohe Maß an Solidarität, das gefordert wird. Dieser Zusammenhalt wird sich in der Bewältigung dieser Pandemie noch weiter stark bewähren müssen, gerade auch was die nächsten Schritte hin zu einer nachhaltigen Eindämmung betrifft.
Ich bin froh über die Errungenschaften der Wissenschaft und über unser gutes Gesundheitswesen. Ich bin froh, dass der Sozialstaat funktioniert und nicht in Frage gestellt wird. Dankbar bin ich allen gegenüber, die für die Grundversorgung, aber auch für das Krisenmanagement verantwortlich waren und sind.

Füreinander da sein
Trotz aller gebotenen Abstandsregeln hat diese Zeit gezeigt, was es heißt, für andere da zu sein: zum Beispiel im Gebet für die vielen, die sich um ihren Arbeitsplatz Sorgen machen, die in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, oder für die kranken Menschen. Gebet und Liturgie stiften Mut und Vertrauen und stärken die Gemeinschaft. Wie wichtig ist für viele gerade in der Coronazeit die Zusage des fürbittenden Gebetes geworden: „Ich denke an dich! Ich bete für dich!“ Oder wie wichtig ist die Sehnsucht nach Segen, die Zusage, dass man trotz allem und in allem Gott gehört: Einen Menschen segnen heißt ja: ihn gutheißen, ihn bejahen, für ihn sorgen.
Wo ist dein Lächeln geblieben? Stellt man diese Frage Christinnen und Christen, dann könnte man auch formulieren: Was zeichnet eigentlich deine christliche Hoffnung aus?
Gerade in Vorbereitung auf das Osterfest geht es darum, gleichsam leibhaft wieder „neu zu schmecken und zu verkosten“, was unseren Glauben ausmacht. Diese Monate waren und sind schließlich auch eine Zeit, die das kirchliche Leben und die gemeinsame Feier von Gottesdiensten erheblich eingeschränkt hat und einschränkt. Viele Menschen sehnen sich daher schon sehr nach dieser real erfahrbaren Gemeinschaft mit anderen Christinnen und Christen.
Viele Menschen erleben die gesundheitlich und solidarisch notwendigen Maßnahmen als einen schmerzhaften religiösen Verzicht. Die Zuwendung Gottes ist davon jedoch unberührt: Gott ist und bleibt jedem und jeder gerade in diesen Wüstenerfahrungen des Glaubens nahe.
Gerade ein bewusster Weg auf Ostern hin kann diese Überzeugung reifen lassen, Mut und Zuversicht können neu keimen. Der Glaube an Gott, der den gekreuzigten Jesus vom Tod auferweckt hat, vermag uns zu helfen, das Lächeln zu bewahren oder zurückzugewinnen. Dieser Glaube möge uns den Mut geben, für andere auf Gottes rettende Nähe hinzuweisen und sie erlebbar zu machen: etwa durch unsere konkrete Zuwendung in den Nächten und Einsamkeiten der Menschen. Dieser Glaube fordert auch unseren Einsatz für die Benachteiligten, die Gedemütigten, die vor Gewalt und Terror Fliehenden; er bestärkt uns darin, dass das Leben gegenüber den tödlichen „Viren“ von Hass, Verachtung und Feindbild-Bedürfnissen die Oberhand behält.

Kirche bleibt vielfältig erlebbar
Papst Franziskus wirbt für eine Kirche, „die dem Geheimnis Gottes Raum gibt; eine Kirche, die dieses Geheimnis in sich selbst beherbergt, so dass es die Leute entzücken und sie anziehen kann. Allein die Schönheit Gottes kann eine Anziehungskraft ausüben. (...) Das Ergebnis der pastoralen Arbeit stützt sich nicht auf den Reichtum der Mittel, sondern auf die Kreativität der Liebe.“ (Ansprache an die brasilianischen Bischöfe am 27. Juli 2013) Diese Liebe im Einsatz für die Menschen ist von so vielen Christinnen und Christen, von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, von Seelsorgerinnen und Seelsorgern während der vergangenen Monate in der Tat sehr kreativ verwirklicht worden. Ich danke von Herzen für all diesen Einsatz!

Das Geheimnis Gottes erfülle euch alle in der Österlichen Bußzeit. Gottes Segen begleite euch auf dem Weg der Hoffnung und Zuversicht, den wir als Christinnen und Christen im Blick auf Ostern gehen dürfen.

Foto: Martin Huber / EXPA / picturedesk.com
Bischof Manfred Scheuer | Foto: Hermann Wakolbinger
Autor:

KirchenZeitung Redaktion aus Oberösterreich | KirchenZeitung

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