Antiteuerungsmaßnahmen
„Verwaltung im Sozialstaat muss bürgerfreundlicher sein“

Foto: Frittipix/Stockadobe

Klimabonus, Antiteuerungsbonus, Strompreisdeckel und mehr: Der Dschungel der Antiteuerungsmaßnahmen wird immer verworrener. Manche Gelder kommen gar nicht bei den Betroffenen an. Zum Teil sind sie auch nicht nachhaltig, kritisiert unter anderem die Armutskonferenz.

„Es wird wirklich viel Geld in die Hand genommen“, sagt Martin Schenk, stv. Direktor der Diakonie Österreich und Mitbegründer der Armutskonferenz. „Jeder 100-Euro-Betrag ist eine Lebenserleichterung, deshalb sind Antiteuerungsmaßnahmen wie der Klimabonus durchaus sinnvoll, auch wenn es sich um Einmalzahlungen handelt.“

Ab 2023 soll der Klimabonus regional gestaffelt werden, je nach Wohnort und Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln wird abgestuft. Die Armutskonferenz schlägt vor, den Klimabonus zusätzlich einkommensabhängig zu gestalten, sagt Schenk: „Alle Personen mit einem Einkommen bis zur Bemessungsgrundlagengrenze von 31.000 Euro sollen jährlich einen Klimabonus erhalten, unabhängig vom Wohnsitz. Personen mit Einkommen darüber müssen mit einem Abschlag rechnen, wobei sich die Auszahlung bis zu einem besteuerbaren Einkommen von 60.000 Euro auf null Euro reduziert.

Dieses Vorgehen würde die „soziale und ökologiche Agenda“, die es beim Klimabonus gibt, besser abdecken. 

Mehr Nachhaltigkeit

Trotz der grundsätzlichen Befürwortung der Maßnahmen appelliert die Armutskonferenz an die Regierung, bestimmte Hilfen nachhaltiger zu gestalten. „Was bisher völlig fehlt, sind Erhöhungen im Sozialhilfenbereich, bei der Wohnbeihilfe und den Arbeitslosen“, sagt Schenk.

Ins selbe Horn stößt ÖGB-Landesvorsitzender und AK-Präsident Andreas Stangl: „Der Antiteuerungsbonus wird angesichts der Rekordinflation sofort wieder verpuffen, aber die Inflation wird bleiben. Es braucht dringend preisdämpfende Instrumente wie eine Mietpreisbremse und Maßnahmen, damit sich die Menschen das Heizen auch im Winter noch leisten können.“

Laut Berechnungen der AK müsse ein Haushalt in Oberösterreich aufgrund der massiven Preissteigerungen mit Mehrausgaben von etwa 740 Euro jährlich rechnen. Bei einer ÖGB-organisierten Demo forderten deshalb 3700 Menschen in Linz die Landes- und Bundesregierung auf, „endlich zu handeln.“ Konkret werden etwa eine Mietpreisregulierung und eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel und Treibstoff gefordert. 

Einig sind sich die Organisationen, dass das Arbeitslosengeld erhöht werden müsse. Dazu sagt Christian Winkler von der Bischöflichen Arbeitslosenstiftung: „Einmalzahlungen helfen arbeitslosen und armutsgefährdeten Menschen nur im Monat der Auszahlung. Aus meiner Sicht sind dauerhafte Entlastungen bei den Energiepreisen für Strom und Heizung viel wichtiger und müssen rasch umgesetzt werden.“

Das Arbeitslosengeld müsse auf mindestens 70 Prozent erhöht werden, damit die Betroffenen keine zusätzlichen Unterstützungsleistungen benötigen, so die Forderung.

Maßnahmen-Dschungel

Martin Schenk erzählt von einer alleinerziehenden Frau mit drei Kindern, die nicht wusste, wie sie die nächsten Monate über die Runden kommen soll. Es ging ihr so wie vermutlich vielen: Manche Förderungen sind bekannt, manche weniger, viele gar nicht. Wann ist wie ein Antrag zu stellen, was bekommt man automatisch? Einige Förderungen gibt es zudem nur in bestimmten Bundesländern, für andere gelten Fristen.

In der Kritik steht etwa der Teuerungsausgleich, den jene, die am 1. Juni arbeitslos wurden, nicht bekommen, weil der Anspruch gegeben ist, wenn an mindestens 31 Tagen Geld aus der Arbeitslosenversicherung geflossen ist (der Juni hat bekanntlich aber nur 30 Tage). 

Es ist ein Dschungel, durch den sich der oder die Einzelne durchnavigieren muss. Dazu kommt die Scham, über die Schwelle eines Amts zu treten und sich finanziell durchleuchten zu lassen.

„Massiv in eine bürgerfreundliche Verwaltung des Sozialstaats zu investieren, würde sich lohnen“, ist Schenk überzeugt. Die fehlende Transparenz bei den vielen Maßnahmen, vor allem bei jenen, wo ein Antrag notwendig ist, hält Schenk für ein „Versagen der Kommunikation der Regierung. Ideal wäre ein One-Stop-Shop in jedem Bezirk oder jeder Gemeinde, wo man beraten und wo alles an einem Ort abgewickelt wird.“ «

Autor:

KirchenZeitung Redaktion aus Oberösterreich | KirchenZeitung

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