Klimawandel
„Opa ging mit uns auf Klimastreik“
In sehr persönlichen Worten erklärt Michael Spiekermann, wie sehr ihn sein kürzlich verstorbener Opa bei seinem Engagement geprägt hat. Der Umgang mit der Klimakrise mag in anderen Familien einen Generationenkonflikt auslösen. Bei der Ennser Familie Spiekermann-Pellinger war der Einsatz für die Umwelt jedoch immer ein verbindendes Thema.
Seite an Seite marschieren Alt und Jung bei den Klimademos von Fridays for Future. Bei der Organisation ist Enkel Michael, 23 Jahre alt, einer der vorne steht und Forderungen an die Politik formuliert. Im November war er außerdem Jugenddelegierter bei der Klimakonferenz in Ägypten.
In der Zeit starb sein Opa Matthias Pellinger. Beim Begräbnis war Michael wieder zu Hause und richtete persönliche Worte an seinen Opa, die er auch der Kirchenzeitung zu Verfügung stellte.
Opa hat mich geprägt
„Am letzten Tag der Weltklimakonferenz verstarb mein Opa. Ich war noch in Ägypten und konnte mich nur am Telefon verabschieden. Opas Leben hat mich und meinen Klimaaktivismus stark geprägt. Ich bin stolz auf ihn. Opa war ein außergewöhnlicher Mensch. Lassen Sie mich kurz erzählen, warum:
Im Winter 1945 weigerte sich Opa, für die Nationalsozialisten zu kämpfen. Er sprang auf einen fahrenden Zug und fuhr seinem Trupp davon. Der Offizier lief ihm mit geladener Waffe hinterher. Opa wusste, dass Kriegsdienstverweigerung unter Todesstrafe stand. Der Offizier hatte gewarnt: ‚Wer flüchtet, wird erschossen.‘ Opa tat es trotzdem.
Opa liebte seine Arbeit
Opa war Maurer. Von Montag bis Samstag verdiente er Geld am Bau. Nach der Arbeit sowie an Sonn- und Feiertagen bauten Oma und er ihr eigenes Haus, das sie später vermieteten. Opa liebte seine Arbeit. Urlaub gab es nicht. Er sorgte dafür, dass wir Kinder jetzt im Wohlstand leben dürfen.
Doch Wohlstand und Friede sind im 21. Jahrhundert vergänglich. Daher setzte sich Opa in den letzten Jahren für den Klimaschutz ein. Er hatte erkannt: ‚Alles, was meine Generation mühsam aufgebaut hat, können wir nur bewahren, wenn wir die Klimakatastrophe verhindern.‘ Und: ‚Meinen Enkeln kann es nur gut gehen, wenn wir unsere Lebensgrundlagen schützen.‘
Opa ging mit uns Kindern auf den Klimastreik und hörte aufmerksam zu, wenn wir ihm die Klimakrise erklärten. Opa diskutierte mit seinen Verwandten über weniger Autofahren und Photovoltaikanlagen – auch wenn die gar keine Lust darauf hatten.
Opa war ein Ökopionier
Er dämmte als einer der ersten in Österreich sein Haus. Das Styropor ließ er mit dem Zug aus dem Ausland importierten. [...]
Seit Jahren zahlen mir die Großeltern mein Studentenzimmer in Wien. Opa sicherte mir auch Unterstützung zu, als klar wurde, dass mein Studium wegen zu viel Klimaaktivismus zwei Jahre länger dauern wird. Er verstand, dass politisches Engagement dringend ist. Und als es Opa vor einigen Wochen gesundheitlich immer schlechter ging und ich daher meine Reise zur Klimakonferenz in Ägypten absagen wollte, ermutigte mich Opa: ‚Fahr nur hin, Michael. Dort dabei zu sein ist wichtiger für deine Zukunft als alles andere. Und falls ich während der Konferenz sterbe, komm nachher zum Begräbnis.‘
Ein dankbarer Mensch
Und so kam es auch. Kurz nachdem ich weg war, wurde Opa bettlägerig. Meine Schwester Monika pflegte ihn mit viel Liebe und Professionalität. Sie erwies außergewöhnliche Kraft und war da, als er die Hilfe der Familie am meisten brauchte. Opa starb am 20. November daheim im Wohnzimmer im Beisein der Familie. Bis zum Schluss war er ein dankbarer und zufriedener Mensch. Auch das Sterben sah Opa gelassen. Ich selbst habe Angst vor dem Tod. Das ist auch ein Hauptgrund, weshalb ich mich für den Klimaschutz einsetze. Ich möchte nicht untätig zusehen, wie die Menschheit an einer selbst verursachten Katastrophe zugrunde geht. Daher kämpfe ich gemeinsam mit anderen jüngeren und älteren Menschen für die notwendigen politischen Entscheidungen zur Senkung der Klimagase. Ich kämpfe für eine Welt, in der meine Generation so wie Opas Generation glücklich und möglichst in Frieden leben kann. Und der Gedanke an meinen Opa wird mich dabei auch in Zukunft unterstützen. Opa war ein Mensch mit Haltung. Ich bewundere ihn und er wird immer mein Vorbild bleiben. Danke, Opa, ich hab dich lieb.“
Zur Person
Michael Spiekermann (23) ist Sprecher von Fridays for Future. Er war bis zu seiner Matura in Enns aktiv in der Pfarre, vor allem in der Jungschar. Er hat auch seinen Zivildienst im Diözesanhaus bei der Jungschar absolviert. Er studiert an der Universität für Bodenkultur Wien (Boku).
Autor:KirchenZeitung Redaktion aus Oberösterreich | KirchenZeitung |
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