UN-Klimakonferenz in Glasgow
Klimaschutz braucht Spiritualität
Der Moraltheologe Michael Rosenberger weist darauf hin, dass ohne Mystik die Umwelt nicht zu retten ist.
Was kann die Kirche, was kann die Theologie in dieser Situation der Klimakrise beitragen?
Michael Rosenberger: Im Sinn von Papst Franziskus und seiner Enzyklika Laudato si‘ würde ich sagen: Die Maßnahmen, die wir jetzt auf der Klimakonferenz in Glasgow verhandeln, wie die Mechanismen zur Anrechnung von CO2 oder den Erhalt der Wälder, sind wichtige Faktoren. Ohne die finanzielle und ökonomische Dimension der Klimafrage einzubeziehen, wird man keine Änderung hinkriegen. Die großen Umweltprobleme nur technokratisch abzuwickeln, wird aber auch nicht funktionieren.
Warum nicht?
Rosenberger: Es werden viele Menschen rebellieren, die sich durch die verordneten Maßnahmen benachteiligt sehen. Deswegen braucht es eine Spiritualität, in der wir die Schöpfung in ihrem faszinierenden Geschenkcharakter wahrnehmen und als Ausdruck von Liebe und Schönheit erfahren. Papst Franziskus spricht davon, dass die großen Herausforderungen nicht zu bewältigen sein werden „ohne eine Mystik, die uns bewegt“. Wir müssen spüren, warum wir auf manche Ansprüche verzichten!
Was kann man tun, um eine solche Beziehung zur Schöpfung zu finden oder sie zu stärken?
Rosenberger: Dass ich zum Beispiel in ein Naturschutzgebiet gehe und mich an den seltenen Blumen freue, die dort wachsen. Wenn ich eine innere Beziehung zur Natur finde, bin ich auch bereit, Umweltmaßnahmen mitzutragen, die etwas kosten.
Welchen Beitrag könnten hier die Kirchen leisten?
Rosenberger: Die Kirchen müssten viel mehr Naturbeobachtung mit den Menschen einüben. Vielfach sehen wir das Besondere, den Reichtum der Natur gar nicht mehr. Der damit verbundene zweite Schritt besteht dann darin, das Schauen und Staunen mit dem Lob des Schöpfers in Beziehung zu setzen. Die Kirche hat hier viel anzubieten.
Woran denken Sie?
Rosenberger: Wir haben einen Riesenschatz an biblischen Texten und liturgischen Praktiken wie Bergmessen, Tiersegnungen oder Prozessionen, die uns direkt in die Natur hinausführen. Wir machen das den Menschen viel zu wenig bewusst. Da müsste die Kirche noch einiges lernen.
Die Kirche ist durch ihr eigenes Handeln auch selbst gefordert.
Rosenberger: Das ist für mich immer ein wesentlicher Punkt: zu schauen, wie die Kirche in ihrem Verantwortungsbereich den Klimaschutz lebt. Ich greife ein Beispiel heraus. Wir haben heuer den Laudato-si‘-Umweltpreis der Diözese unter das Thema „Schöpfungsfreundliche Friedhöfe“ gestellt. Da geht es um die Frage, ob es auf Friedhöfen Bereiche als Blühwiesen oder auch Bäume gibt. Es ist doch schön, wenn im Herbst Blätter auf die Gräber fallen. Das ist ein wunderbares Zeichen für das Vergehen des Lebens. Auch bei der Friedhofsgestaltung kann man eine Schöpfungsspiritualität entwickeln.
Bei dem Laudato-si‘-Umweltpreis war auch die Kremation ein Thema …
Rosenberger: Ich will die Kremation nicht schlecht machen. Aber neben pastoralen Problemen, die mit ihr verbunden sind, ist sie auch eine ökologische Frage.
Und zwar welche?
Rosenberger: Eine Kremation erzeugt große Mengen an CO2. Das ist einfach so. Krematorien brauchen eine Menge Strom oder Brennstoff für die Verbrennungsöfen. Und das andere Problem ist der Leichnam selber, der etwa zehn bis zwanzig Kilogramm Kohlestoff enthält.
Bei einer Erdbestattung wäre dieser über Jahrzehnte im Boden gebunden und würde die Atmosphäre nicht – wie im Fall der Verbrennung des Leichnams – belasten. Kremation hat eine Klimawirkung.
Vermutlich aber keine sehr große. Es geht um die neunte Kommastelle hinter der Null.
Rosenberger: Wenn man auf die einzelne Kremation sieht, nicht, aber wenn man die Frage weltweit betrachtet.
Weil im Blick auf Asien ein großer Teil der Menschheit kremiert wird ...
Rosenberger: Genau. Natürlich ist das nicht die Lösung aller Klimafragen, aber der weltweite Verzicht auf Kremation wäre kein kleiner Beitrag. Ich habe in der wissenschaftlichen Literatur noch keine genauen Zahlen gefunden, aber ich würde meinen, dass es sich schon um die erste Kommastelle hinter der Null handelt. Selbst wenn es nur ein halbes Prozent ist, ist es auch etwas. Man darf es nicht unterschätzen. Man darf überhaupt keinen Mosaikstein unterschätzen, der zum Schutz des Klimas beiträgt.
Michael Rosenbergers soeben erschienenes Buch hat den Zusammenhang von Bedrohung der Umwelt und Spiritualität zum Thema.
Eingebunden in den Beutel des Lebens. Christliche Schöpfungsethik, Michael Rosenberger, Münster: Aschendorff Verlag 2021, 326 Seiten, € 38,–.
Autor:KirchenZeitung Redaktion aus Oberösterreich | KirchenZeitung |
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