„Ernährung ist die größte Stellschraube“
Klimawandel und Nahrungsmittel
Die Art und Weise, wie wir uns ernähren, hat nicht nur Einfluss auf unsere Gesundheit, sondern auch auf die Artenvielfalt und das Klima unseres Planeten.
Die tägliche Entscheidung, ein weit gereistes, stark verarbeitetes oder mit Pestiziden behandeltes Lebensmittel oder eines aus regionaler Bio-Landwirtschaft zu kaufen, spielt eine große Rolle für den persönlichen CO2-Fußabdruck. Dieser gibt an, welche Menge von Treibhausgasen durch eine Handlung oder einen Prozess freigesetzt wird.
Generell gehen 25 bis 30 Prozent der Treibhausgase auf die Ernährung zurück, sagt Ernährungsökologe Martin Schlatzer. Das sei mehr als der gesamte Verkehrssektor.
„Deshalb ist das die größte Stellschraube, an der man ansetzten muss, um das Klimaziel von maximal plus zwei Grad Erderwärmung zu erreichen“, sagt Schlatzer. In einer Studie verglich er mit seinem Team mehrere Ernährungsweisen und erkannte, dass eine überwiegend pfanzliche oder sogar vegane Ernährungsweise am meisten Treibhausgase einspart.
In die Studie mit eingerechnet wurden nicht nur die Lebensmittel selbst, sondern auch deren Produktion, Verarbeitung und Transport. Nach dieser Rechnung verursache eine durchschnittliche omnivore (Allesfresser-)Ernährung Emissionen von rund 1460 CO2-Äquivalenten. CO2-Äquivalente sind eine Maßeinheit zur Vereinheitlichung der Klimawirkung unterschiedlicher Treibhausgase. Vegetarische Ernährung spare fast die Hälfte der Treibhausgase ein, vegane Ernährung sogar 70 Prozent.
Bio und weniger Abfall
Schlatzer sieht neben der Reduktion des Fleischkonsums in der Bio-Landwirtschaft den zweiten wichtigen Faktor. „Mit Bio-Lebensmitteln kann man nochmal 5 bis 18 Prozent der Emissionen sparen. Es gibt auch noch andere systemrelevante Effekte: Es werden keine Pestizide und andere Gifte verwendet, Gentechnik ist verboten, der Auslauf für die Tiere ist vorgeschrieben und es wird auch strenger kontrolliert.“
Zudem seien die Böden fruchtbarer und es gebe durch den Wegfall von Pestiziden eine höhere Artenvielfalt. Nicht zuletzt sieht Schlatzer als dritte wichtige Maßnahme, Lebensmittelabfälle möglichst zu vermeiden, denn auch das spare Treibhausgase ein.
Klima gesund, Mensch gesund
Einen Ernährungsvorschlag, der sowohl dem Klima als auch der menschlichen Gesundheit gut tun soll, erstellte die sogenannte „Eat-Lancet Kommission“. Bei dieser „Planetary Health Diet“ (Planetare Gesundheits-Ernährung) besteht „die Hälfte des Tellers aus Gemüse und Obst, die andere Hälfte aus Vollkorngetreide, Hülsenfrüchten, ungesättigten Fetten und moderatem Konsum von tierischen Lebensmitteln“, wie auf www.umweltberatung.at zu lesen ist. Dort ist auch detailliert beschrieben, welche Lebensmittel in welcher Menge empfohlen werden.
Gerichtsmediziner und landwirtschaftlicher Facharbeiter Martin Grassberger beschäftigt sich intensiv mit dem Zusammenhang von chronischen Krankheiten und Umweltverschmutzung.
„Es ist mittlerweile kein Geheimnis mehr, dass die Ursache für einen Großteil der Zivilisationskrankheiten in einer falschen Ernährung liegt“, sagt er. „Weniger bekannt ist, dass auch neurogenerative Erkrankungen wie Demenz, rheumatische Arthritis oder psychische Erkrankungen davon beeinflusst werden.“ Der Schlüssel liege im Erhalt des Darm-Mikrobioms, der Summe jener Mikroorganismen, die unseren Darm besiedeln. Zucker, Weißmehl, hoher Fleischkonsum sowie stark verarbeitete Lebensmittel stören das Darm-Mikrobiom, was langfristig zu chronischen Entzündungen und Erkrankungen führen kann. Grassberger sagt: „Auch wenn das kein Plädoyer sein soll, aber eine stark pflanzenbasierte Ernährung tut dem DarmMikrobiom besonders gut. Das liegt an den komplexen Kohlenhydraten, die darin enthalten sind. Diese werden durch die Darmorganismen abgebaut und deren Stoffwechselprodukte wirken sich wiederum positiv auf die Gesundheit aus.“ Diese Erkenntnis sei wissenschaftlich abgesichert und wurde in Studien klargelegt, erklärt Grassberger.
Es braucht alle
Natürlich komme den Konsument/innen eine wesentliche Rolle zu, allein verantwortlich für die Lösung der Klimakrise sind sie aber nicht, da sind sich Grassberger und Schlatzer einig: „Es braucht die Anstrengung seitens der einzelnen Menschen, ja, aber auch der Konzerne und der Politik“, sagt Schlatzer. „Das gesamte Denken muss umgestellt werden, anstatt Kurzzeitprofiten sollte die langfristige Gesundheit von Planet und Mensch im Fokus stehen“, ergänzt Grassberger.
Zum Weiterlesen: Martin Grassberger: Das unsichtbare Netz des Lebens, Residenz Verlag 2021, 448 Seiten, € 25; Martin Schlatzer: Tierproduktion und Klimawandel, LIT Verlag 2011, 224 Seiten, € 19,90
Online-Vortrag Martin Grassberger bei „Denk.Mal.Global 2022“, Südwind OÖ: Mi., 2. Februar 19 Uhr
Autor:KirchenZeitung Redaktion aus Oberösterreich | KirchenZeitung |
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