Das Gehirn lange fit halten

Foto: ©Sabine Kneidinger PHOTOGRAPHY

„Das Gehirn ist verborgen, versteckt im Schädel, deshalb glauben wir, es verändert sich nicht“, erklärt Neurowissenschafterin Manuela Macedonia. Der Abbau der Gehirnmasse beginne bereits ab 20 Jahren. „Der Hippocampus, das ‚Ziegelwerk‘ des Gehirns, sieht ungefähr aus wie ein Seepferdchen und ist für die räumliche Navigation, Gedächtnis und Lernen zuständig. Er verliert jedes Jahr ein Prozent seines Volumens. Das heißt, wenn Sie 50 sind, ist Ihr Hippocampus schon um 30 Prozent geschrumpft und daher auch weniger leistungsfähig.“ Ähnliches gelte auch für den Rest des Gehirns, wie Macedonia in ihrem neuen Buch „Iss dich klug!“ beschreibt. Bei Frauen ab 50 komme noch hinzu, dass durch die Hormonumstellung im Wechsel bestimmte Hormone fehlen, wie das sogenannte Estradiol: „Estradiol reist durchs Gehirn und reguliert viele Funktionen, wie die Stimmung. Deshalb ist eine häufige Beschwerde von Frauen im Wechsel, dass sie sich deprimiert fühlen. Estradiol reguliert auch Funktionen im Hirnstamm, die die Temperatur steuern. Das macht sich durch die bekannten Wallungen bemerkbar.“ Auch Schlafbeschwerden und das Gefühl, sich nichts mehr merken zu können, hängen mit dem Estradiolmangel zusammen.

Keine Medizin

Der Gehirn-Alterung und deren Auswirkungen könne man nur mit Ernährung und Bewegung entgegentreten, sagt Macedonia: „Medizin gibt es dafür keine. Viele entscheiden sich dafür, Nahrungsergänzungsmittel zu schlucken und hoffen, dass das zur gewünschten Wirkung führt. Die Vitamine sind in diesen Pillen aber oft isoliert, also nicht in Ballaststoffe oder Fasern eingebettet, und werden daher vom Körper gar nicht aufgenommen.“ Besser sei daher, Vitamine, gute Fette wie Omega-3 und andere wichtige Substanzen in ihrer Trägerstruktur aufzunehmen. Das bedeutet: auf stark verarbeitete Lebensmittel, Tiefgefrorenes und Fertiggerichte zu verzichten und dafür frische, hochwertige Zutaten zu verwenden. „Obst, Gemüse, vergorene Milchprodukte, kalt gepresste Öle, Kaltwasserfische, auch gegen Fleisch ist nichts einzuwenden, sofern es hochwertig ist“, zählt Macedonia auf (siehe auch Rezept links).

Fasten als „Jungbrunnen“

Was dem Gehirn außerdem guttue, sei der mehrstündige Verzicht auf Nahrung, also fasten: „Die Gehirnzellen arbeiten ein ganzes Leben lang. Im Inneren der Zelle sind verschiedene Bestandteile, etwa die Mitochondrien. Sie erzeugen aus der Nahrung Energie für die ­Zelle. Man kann sie mit dem Motor eines Autos vergleichen: Wenn wir ständig mit dem Auto fahren und dem Motor nie eine Pause gönnen, damit er sich abkühlt, und nie ein Service machen, läuft er irgendwann nicht mehr gut. Genauso ist es mit den Mitochondrien, auch sie müssen sich erholen können. Legt man eine Fastenphase ein, wird die Zelle danach besser versorgt und kann längere Zeit ohne Mangel funktionieren.“ Der Nahrungsverzicht löse verschiedene Prozesse innerhalb und außerhalb der Zelle aus, wie die „Autophagie“, was so viel wie „Ich fresse mich selbst“ bedeutet: „Die Zelle beseitigt dabei ihre fehlgebauten oder verschlissenen Teile selbst“, erklärt Macedonia. Auf diese Weise können neue Verbindungen im Gehirn entstehen, was erklärt, warum sich viele Fastende geistig frischer und fitter fühlen.

Besser spät als nie

Auch im Pensionsalter lässt sich laut Macedonia durch eine Ernährungsumstellung noch etwas gegen Demenz, Alzheimer und andere degenerative Krankheiten tun. „Ich kann jeden Tag mein Gehirn zum Positiven hin verändern, aber wenn ich erst mit 60 beginne, lässt sich nicht alles rückgängig machen, was bis dorthin geschehen ist. Das Gehirn ist das Wichtigste, was wir haben. Deshalb gehört es bewusst gepflegt.“ Neben der richtigen Ernährung und „so oft spazieren gehen, wie Sie können“ sei es ebenso wichtig, das Gehirn immer auf Trab zu halten: „Es braucht jeden Tag Herausforderungen. Ich muss etwas tun, das sehr anstrengend ist und wo ich mein Hirnschmalz brauche. Sich plagen lautet die Devise.“ Die Anti-Demenz-Strategie zusammengefasst: Frisch kochen, ab und zu fasten, hinaus in die Natur gehen und die grauen Zellen ordentlich fordern.

Bildtext:

Manuela Macedonia ist Neurowissenschafterin und erforscht die Mechanismen des menschlichen Gehirns. Die in Oberösterreich lebende Italienerin forscht am Max- Planck-Institut in Leipzig und lehrt an der Johannes-Kepler-Universität in Linz. Sie hat bereits zwei Bücher über den Einfluss von Bewegung auf das Gehirn geschrieben und teilt ihr Wissen in Seminaren und Vorträgen.

Buchtipp

Manuela Macedonia: Iss dich klug!
Und dein Gehirn freut sich. Ecowin Verlag, 208 Seiten, € 24,–.

Autor:

KirchenZeitung Redaktion aus Oberösterreich | KirchenZeitung

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