Welt-Suizid-Präventionstag am 10. September 2020
Corona belastet die Psyche
Das vergangene Halbjahr war überschattet von Corona. Unsicherheit, Existenzängste und mangelnde soziale Kontakte haben den Alltag geprägt und das wird sich auch die nächsten Monate kaum ändern. Dieser psychische Stress traf besonders bestimmte Personengruppen und kann bei ihnen sogar vermehrt Suizidgedanken auslösen, wie der Mediziner Dr. Claudius Stein erklärt.
Die Corona-Pandemie ist weltweit das beherrschende Thema des Jahres 2020. „Die psychische Belastung ist für alle enorm, aber wir sehen bestimmte Gruppen, die besonders betroffen sind und auch Suizidgedanken äußern“, erklärt Claudius Stein, Leiter des Kriseninterventionszentrums in Wien.
Intensivpatienten
Schwer Erkrankte und ihre Angehörigen sind psychisch besonders belastet. „Man kann sich wohl kaum vorstellen, wie es ist, auf der Intensivstation behandelt zu werden, an einer Krankheit leidend, die selbst für die Medizin noch weitgehend Neuland ist“, schildert Stein die Situation dieser Menschen. „Man hat Todesängste und die eigenen Verletzbarkeit wird deutlich. Dazu kommt die Isolation. Besuch war und ist in dieser Zeit nicht möglich.“ Die Ungewissheit erfasst auch die Angehörigen der Patient/innen. Besonders schlimm sei es für jene, die sich von einem lieben Menschen vor dessen Tod nicht mehr verabschieden könnten.
Zukunftsängste
Die wirtschaftliche Krise, Angst um den Arbeitsplatz oder Verlust des Jobs lösen Existenzängste aus. „Unsere Arbeitsmarktpolitik hat zwar einiges abgefedert, dennoch stehen viele Menschen nun ohne Arbeit und somit auch ohne Geld da. Für viele ist auch ungewiss, wie es in der Zukunft weitergeht. Das ist für junge Menschen und Familien besonders belastend.“
Einsamkeit
Die Isolation der älteren Bevölkerungsgruppe war vor allem zu ihrem eigenen Schutz. Doch die bittere Kehrseite war, plötzlich keine sozialen Kontakte mehr haben zu dürfen. „Ohne Besuche, ohne Berührungen und ohne Gespräche, die die Angst mildern könnten, litten und leiden viele alte Menschen besonders unter der Pandemie“, so Stein. Wichtig waren hier vor allem Telefonkontakte. Für die Zukunft wünscht sich der Psychotherapeut, dass Personen in Pflegeeinrichtungen speziell geschult werden, um den Senior/innen in Gesprächen ihre Ängste nehmen zu können.
Frauen
Für viele Familien gab es vor allem in den ersten Wochen der Krise kaum Freiräume und keine Möglichkeiten des Rückzuges. Dort, wo es in Familien mit Homeoffice und Homeschooling eng wurde, hatten meist die Frauen eine extreme Last zu tragen. Auch ein Schutz vor Gewalt durch den Partner war kaum gegeben. „Hier wären noch niederschwelligere Angebote für Frauen wünschenswert. In Frankreich etwa gibt es Hilfe bei häuslicher Gewalt sogar in manchen Supermärkten“, erzählt Claudius Stein.
Vorerkrankungen
Wer vor Corona schon psychisch belastet oder erkrankt war, für den war und ist diese Krise ganz schwer zu bewältigen. Auch diese Personen haben sich vermehrt bei der Kriseninterventionsstelle gemeldet. „Leider mussten wir viele Gespräche per Telefon führen. Wir merkten hier schon, wie sehr das persönliche Gespräch fehlt.“ Schließlich nennt der Mediziner auch noch jene Gruppe von Menschen, die eine übermäßige Angst vor der Krankheit, Angst vor Ansteckung haben. Auch sie sind in einer psychischen Ausnahmesituation. „Es gibt viele Informationen zu Corona, aber nur wenige Quellen liefern seriöse Auskünfte. Das verunsichert die Menschen. Es braucht klare und verständliche Aufklärung, ohne dabei Ängste zu schüren.“
Sorgen teilen und Hoffnung stärken
Wer das Gefühl hat, es alleine nicht zu schaffen, sollte nicht zögern und Unterstützungsangebote nutzen. Die TelefonSeelsorge – Notruf 142 ist an allen Tagen des Jahres rund um die Uhr, vertraulich und kostenlos erreichbar. Chatberatung: www.onlineberatung-telefonseelsorge.at/chatberatung
Autor:KirchenZeitung Redaktion aus Oberösterreich | KirchenZeitung |
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